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Tanz des Lebens

Tanz des Lebens

Titel: Tanz des Lebens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bianca Balcaen
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fragte, ob sie ihn jemals verstehen würde. Als er sie gestern Morgen beim Frühstück wegen irgendeiner verdammten Laus, die ihm über die Leber gelaufen war, anschrie, hatte sie ihn wie eine Geisteskranke angestarrt, bevor sie türschlagend aus dem Haus gerannt war.
    Immer mehr wurde ihr klar, dass dieser Eisprinz weder ihr Leben noch ihre Träume jemals wirklich begreifen, geschweige denn fühlen würde. Entnervt stöhnte sie vor sich hin. Dann blieb sie stehen und versuchte sich zu beruhigen. Nachdenklich hob sie ihren Kopf und betrachtete den Himmel. Eine Anzahl großer Pelikane, Kormorane und schreiende Seemöwen umkreisten einen Schiffskutter und sahen den Fischern hungrig zu, wie sie die Tonnen von Tintenfischen direkt aus dem Boot in die Kisten auf dem Strand entluden.
    Etwas entfernt von dem Spektakel lag ein noch junger Seelöwe, der Fayes Aufmerksamkeit fesselte. Er hielt sich mit den kurzen Seitenflossen die Augen zu, streckte seine gefächerte Fußflosse hoch und wälzte sich hin und her, bis er sich hoffnungslos in dem Teppich aus grünen Algensträngen verheddert hatte, was Faye zum Lachen brachte.
    Langsam schlenderte sie weiter am smaragdgrünen Wasser vorbei, entdeckte einige Krebse, die sich in den vielen Felsspalten versteckten und eine ganze Kolonie von Seeottern, die weit draußen ihren Schönheitsschlaf hielten. Allerdings traute sie kaum ihren Augen, als sie auf der einen Seite der Sandbucht eine Blutlache entdeckte, neben der eine Robbenmutter mit ihrem kleinen Baby lag. Das Kleine musste erst vor Kurzem geboren worden sein.
    Beide lagen noch etwas erschöpft auf dem Felsvorsprung, aber langsam kam die Flut herein und die Wellen schlugen immer höher an die Felsen. Das schien die Robbenmutter so sehr zu beunruhigen, dass sie ihr Junges an seiner babyspeckrunzeligen Nackenrolle packte und es vorsichtig auf den höher gelegene Felsen zog. Versunken betrachte Faye die Idylle, als sie ein Geräusch hinter sich vernahm.
    Shiva hatte sich ihr unbemerkt genähert und trotz ihrer unzähligen Ketten mit den Geisterglöckchen und den Schutzamuletten, die bei jedem ihrer Schritte leise aneinanderklirrten, hatte Faye sie nicht gehört. »Hallo, Faye, wie geht es dir?«
    »Gut … irgendwie.«
    Shiva behielt ihr Gesicht fest im Blick. »Hatten wir uns nicht einmal geschworen, dass es besser ist zu schweigen, wenn wir nicht die Wahrheit sagen wollen?«, fragte sie sanft. Schuldbewusst nickte Faye und dann sprudelte, wie immer in der beruhigenden Nähe ihrer mütterlichen Freundin, alles aus ihr heraus. Shiva Moon hörte ruhig zu, als Faye ihr von den Ereignissen berichtete, die sich in den letzten Tagen zugetragen hatten.
    Ohne es zu wollen, erzählte Faye ihr auch ausführlich von den andauernden Streitigkeiten mit Quin. Schweigsam hakte Shiva sich bei Faye unter und lief ein Stück mit ihr, bis sie den Pier am südlichen Ende des Strandkanals erreichten. »Wusstest du, dass die Sonne über dem Meer die Hälfte von der Gezeitenkraft des Mondes ausübt? Sie unterstützt die Wirkung des Mondes genau zu dem Zeitpunkt, wenn die drei involvierten Himmelskörper auf einer Linie liegen. Das geschieht nur bei Voll- und bei Neumond.«
    Unverhofft blieb Shiva stehen und heftete ihre ährengoldenen Augen auf den Sand. Verblüfft tat Faye es ihr nach. Ganz dicht vor ihren Füssen schwammen Millionen von kleinen Grunions, zwanzig Zentimeter silbrigdünne Ährenfische, die nur hier, südlich der Monterey-Bucht, an der kalifornischen Pazifik-Küste vorkamen. Warum wies Shiva sie auf so etwas Nebensächliches hin? Faye konnte sich keinen Reim darauf machen.
    »Es gibt nur sehr wenige Lebewesen, die ihren ganzen Lebensrhythmus mit den Gezeiten dieser beiden magischen Mondphasen koordinieren und mit ihnen verbunden sind. Diese Grunions hier tun es. Sie versammeln sich auf dem Strand zu ihrem jährlichen Paarungsritual. Es dauert nur ein paar Stunden. Die Fische schlängeln sich über die auflaufenden Wellen auf den Strand und graben sich mit fließenden Bewegungen in den Sand ein, sodass sie möglichst unsichtbar für ihre Feinde sind.« Shiva verstummte kurz. »Nach der Paarung wird das Weibchen von dem Männchen umschlungen und unbarmherzig zerdrückt.«
    Langsam richtete die weiße Hexe sich wieder auf und blickte Faye mit ihren außergewöhnlichen Augen an. »Du fragst dich bestimmt, warum ich dir das erzähle, nicht wahr?«
    Leicht verwirrt rieb Faye ihre Handflächen ineinander und nickte benommen, während sie

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