Tanz des Lebens
seinen tastenden Händen entgegen, doch im selben Augenblick hörte sie auf der Treppe vorsichtig tastende Schritte. Ihr Körper stand in lodernden Flammen und es kostete Faye eine beinahe unmenschliche Kraft, Quins fordernden Zärtlichkeiten zu widerstehen.
»Wir sollten damit aufhören, Luke kommt gleich«, flüsterte sie atemlos an seinem Hals und löste sich gerade noch rechtzeitig aus seinen Armen. Schweratmend versuchte sie ihren Puls unter Kontrolle zu bringen und ordnete mit zitternden Fingern ihre Bluse, als Luke auch schon mit einem fröhlichen Hallo in die Küche stürmte.
»Willst du mir erzählen, was mit dir los ist?«, fragte Luke.
»Nein … Ich meine, es ist gar nichts. Alles in bester Ordnung.« Mit angespanntem Gesicht biss Faye sich auf die Lippe und versuchte sich auf den morgendlichen Berufsverkehr in der Innenstadt von Monterey zu konzentrieren.
»Was hat er dir angetan?«
»Wer?«
»Quin, wer sonst? Meine Ohren sind immer noch perfekt in Ordnung. Ich konnte seinen keuchenden Atem hören – und deinen übrigens auch, nachdem ihr euch voneinander gelöst habt.«
»Was? Du spinnst ja. Wir haben uns nur unterhalten.«
»Unterhalten. So nennt man das also heutzutage.« Missmutig trommelte Luke mit den Fingern auf dem Armaturenbrett. Faye rollte schuldbewusst mit den Augen und nahm seine Hand.
»Hey, Bruderherz, es tut mir leid, ich will nur grad nicht darüber reden. Sei mir nicht böse. Ein andermal, ja?«
Auf dem Beifahrersitz trat tiefes Schweigen ein und bis sie ihr Ziel erreichten, begann Luke auch nicht wieder zu sprechen.
Aufatmend stellte Faye ihren Wagen auf dem Krankenhaus-Parkplatz ab, stieg dann langsam aus und reckte ihren verspannten Nacken. Der Kuss mit Quin beschäftigte sie noch immer und spukte in ihren Gedanken herum. Sie war immer noch verwirrt; geplättet wäre vielleicht seine bessere Bezeichnung für ihren Gemütszustand. Auf der einen Seite sehnte sie sich nach einer Umarmung von ihm und auf der anderen Seite verunsicherten sie seine wechselnden Gefühle für sie zutiefst. Trotzdem versuchte sie sich vor ihrem Bruder nichts anmerken zu lassen.
Auch wenn sie sich sonst immer all ihre Probleme erzählten, hiermit musste sie allein klarkommen. Ihr frischgewaschenes, langes Haar wehte sanft im Wind hin und her. In ihrem mauvefarbenen, ärmellosen Sommerkleid mit gleichfarbigen Sandalen sah sie frisch und wunderschön aus. Genau das Gegenteil von dem, wie sie sich fühlte. Mit einem müden Schwung schmiss sie die Autotür zu und half Luke fürsorglich beim Aussteigen.
Zusammen gingen sie über dem Parkplatz zur Klinikrezeption. »Hallo Franziska«, begrüßte sie die Oberschwester, die sie schon seit ihrer Kindheit kannte. »Können Sie bitte meinem Onkel sagen, dass wir hier sind?«
Sie nahmen auf der großen, ledernen Wartecouch Platz. Es dauerte kaum zehn Minuten, dann öffnete sich schon die Tür zu dem Behandlungszimmer und die Sprechstundenhilfe winkte sie hinein. »Hallo, Onkelchen«, rief Faye betont fröhlich beim Eintreten.
Mason Conners sah von seinem gewaltigen Schreibtisch auf und nahm seine Lesebrille ab. »Guten Morgen, Faye. Luke.« Er kam um den Tisch herum und klopfte seinem Neffen auf die Schulter. »Alles klar bei dir, geht’s dir gut?«
»Klar, alles bestens.«
Stirnrunzelnd betrachtet Faye ihren Onkel. Wie immer war er nett zu ihnen. Beinahe etwas zu nett, fast wie aufgesetzt, fand Faye.
»Gut, dann setzt euch auf die Liege und macht den linken Oberarm frei. Gleich gibt es einen kleinen Pieks.«
Luke zog sein Polo über den Kopf. »Faye hat gesagt, dass es eine Grippeimpfung ist, findest du das nicht ein bisschen zu früh?«
»Was …? Eh nein. Seit einiger Zeit haben wir es in den umliegenden Städten mit einer Art Pferdegrippe zu tun. Ich will bei euch nur vorbeugen.«
Pferdegrippe? Jetzt war Faye zum zweiten Mal an diesem Morgen verblüfft. In der Stadt Monterey gab es so gut wie keine Pferde. Die letzten, die sie gesehen hatte, standen auf einer regnerischen grünen Weide in Los Angeles und gehörten zur Farm des Gründerrates. Stumm sah sie zu, wie ihr Onkel zuerst Luke die Impfung verpasste. Als er jedoch mit einer neu aufgezogenen Spritzte zu ihr kam, runzelte Faye verwirrt ihre Stirn.
»Warum ist das Serum bei Lukes Impfung wasserklar gewesen, während es in dieser Injektion dunkelrot ist«, fragte sie argwöhnisch.
»Oh …«, stotterte Mason, fing sich aber gleich darauf wieder und erklärte mit resoluter
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