Tanz des Lebens
Stimme: »Das ist etwas Neues. Dieses Jahr gibt es ein separates Serum für weibliche und männliche Patienten. Das ist ein neuer Impfstoff, der dieses Jahr erprobt wird.«
Da Faye die medizinische Kompetenz ihres Onkels nicht in Frage stellen wollte, schob sie ihre Haare zur Seite. Während sie den kleinen Piekser gelassen über sich ergehen ließ, spielte sie gedankenverloren mit dem Rituljadeanhänger an ihrer Kette, als sie ihren Onkel hinter sich geräuschvoll die Nase hochziehen hörte. Nachdem Luke und sie sich wieder angezogen hatten, wollte Faye sich gerade verabschieden, als Mason einen langen Blick auf sie warf.
Danach spielte ein seltsames Lächeln um seine Mundwinkel. »Müsst ihr schon wieder gehen? Ich dachte, da wie uns so selten sehen, könnten wir uns ein bisschen unterhalten. Ich lade euch in die Kantine ein, habt ihr Lust?«
»Prima«, rief Luke begeistert aus. »Wenn sie dort immer noch den leckeren Apfelkuchen wie neulich backen, sind wir dabei.«
»Gut, dann geht schon mal vor. Ihr kennt ja den Weg, ich bin in ein paar Minuten bei euch.«
Die Kantine war den Sommer über zum Garten hin geöffnet und verströmte mit den vielen Blumenkübeln das Flair eines beschaulichen Patios. Als Faye Luke den Stuhl zurechtrückte, fragte sie: »Findest du Onkel Mason in letzter Zeit nicht auch ein bisschen merkwürdig? Er guckt auch so immer komisch.« Luke gluckste in sich hinein. »Also, das mit dem Gucken kann ich schlecht beurteilen, Schwesterherz«, grinste er, »aber merkwürdig ist er schon. Er atmete so angespannt, besonders als er dir deine Impfung verabreicht hat …« Luke unterbrach sich und legte horchend den Kopf schief.
Faye folgte seinen Bewegungen und lachte verzückt auf. »Nichts zur Beunruhigung, Luke. Er ist nur ein Kätzchen. Ein noch ganz Kleines.«
Sie beugte sich runter und streckte die Hand aus. »Komm her … Mitz, mitz …« Lockend schnalzte sie mit der Zunge. Das weißbraune Fellknäuel schlich erst vorsichtig um ihre Beine herum, dann machte sie einen zaghaften Sprung. Auf ihrem Schoß rollte sie sich gemütlich zusammen und schnurrte gemächlich, als Faye sie verzückt hinter dem Ohr kraulte.
Kurz darauf erschien Mason und sie bestellten alle eine Runde Apfelkuchen. Ihr Onkel verwickelte sie in eine lockere Unterhaltung, bei der Faye immer wieder auffiel, wie er entweder ruckartig sein Stofftaschentuch gegen seine Nase presste oder permanent am Hochziehen war. Irritiert sah sie das rote Rinnsal aus seiner Nase tropfen.
»Hat du immer noch Nasenbluten?«, fragte sie mitleidig.
Ein schwerer Seufzer entrang sich seiner Brust. »Nein«, erwiderte er zögernd, »immer noch diese verfluchte Allergie … von der Klimaanlage, du weißt schon.« Durch seinen barschen Ton wachte das Kätzchen auf. Räkelnd streckte es seine rosigen Pfoten in die Luft, mauzte ein paar Mal, richtete sich auf und tapste mit einem Pfötchen auf Fayes Teller. Dabei fiel die Kuchengabel leise klirrend auf den Boden. »Verschwinde du Kreatur – hau ab!«, zischte Mason böse.
Ärgerlich beugte er sich runter und streckte die Hand aus, um die Gabel aufzuheben. Die Katze schnurrte. Langsam richtete sich jedes einzelne Fellhaar an ihrem kleinen Körper auf - unbeweglich fokussierte sie Masons Bewegungen. Dann biss sie zu. Mit einem Aufschrei riss Mason fluchend seine Hand weg.
Die Zeit schien still zu stehen; der Sekundenzeiger der Wanduhr schien sich keinen Millimeter vorwärtszubewegen und Quin war alleine mit seinen höchst beunruhigenden Gefühlen. Er, der sonst zu keinen Gefühlen fähig war, der knallhart und kalkuliert handelte. Wie hatte Faye ihn bei einem ihrer unzähligen Streitereien einmal betitelt? Ach ja, jetzt fiel’s ihm wieder ein: Einen sturen Eisprinzen mit Arroganz und Emotionen um den Gefrierpunkt.
Mit Attitüden eines richtigen Mistkerls. Ja, das kam dem, was in seinem Innersten herrschte, ziemlich nahe, fand Quin, er war ein gefühlloses Arschloch. Mit den Händen in den Taschen seiner Jeans vergraben sah er in den Garten hinaus und versuchte zu verstehen, was in letzter Zeit in ihm vorging. Dass Liam und ihm ständig und haufenweise Natdämonen und Ice Whisperer auflauerten, gegen die sie sich wehren mussten, war für ihn nichts Neues.
Die dunklen Mächte hatten sie schon in ihrer Heimat in Burma gejagt. Gut, dass sein Bruder mit einem Siegel geprägt wurde, war das erste Mal passiert, aber Quin war dem Schwarzmagier auf der Spur, lange würde es nicht mehr dauern,
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