Tanz des Lebens
denen sich die Prismen des Sonnenlichts brachen, während die Schlafzimmertür scheppernd ins Schloss fiel. Wie im Wahn stürzte Quin immer drei Stufen auf einmal nehmend die lange Treppe hinunter.
Beim Rausgehen rannte er beinahe Faye über den Haufen, die gerade die Eingangstür aufschloss.
Spätnachts betrat Quin im Dunkeln die Küche durch den Hintereingang. Er war stundenlang durch die Ortschaften und Landstraßen gerast, bis er in Carmel irgendwo am Straßenrand parkte und danach ziellos durch den Wald gerannt war. Immer noch voller Wut riss er die Kühlschranktür auf und nahm sich eine Coke. In diesem Moment flammte das Deckenlicht auf. Entsetzt blickte Faye ihn an. »Jesus, du bist ja vollkommen durchnässt.«
»Jep. Es gießt in Strömen.«
»Wo bist du denn so lange gewesen, ich … Dein Bruder hat sich schon Sorgen gemacht.« Faye griff nach dem Handtuch, das über der Spüle hing und eilte auf ihn zu. Als sie Anstalten machte, seine Haare abzurubbeln, stieß er sie unsanft zur Seite und Faye spürte eine brennende Röte in sich hochsteigen.
»Mein Bruder hat sich also Sorgen gemacht. Das ist aber nett. Wo ist er denn, mein liebenswerter Bruder ?«, höhnte Quins Stimme unheilschwanger durch den Raum. Verstört hob Faye den Kopf, doch bevor sie etwas antworten konnte, erschien auch schon Liams Gestalt im Türrahmen.
»Wie ich hörte, hast du eine Unterhaltung mit Vater gehabt.« Liam wirkte sichtlich angespannt, bemühte sich aber um Haltung.
»Eine Unterhaltung … Ja, der Witz ist gut.«
Mit einem einzigen Schluck trank Quin die Colaflasche aus und stellte sie krachend auf dem Tisch ab. Dann bohrten sich seine hasserfüllten Augen in Liams. »Und jetzt hätte ich gerne die Wahrheit erfahren, Bruder . Oder ich werde dir sehr wehtun«, sagte er mit gefährlich sanfter Stimme.
»Also gut.« Erschöpft setzte sich Liam auf einen Stuhl, nahm die Brille ab und rieb sich müde über die Nasenwurzel. Dann blickte er Quin, der noch immer in der Mitte der Küche stand, ruhig an. »Was möchtest du wissen, Quin?«
»Fangen wir doch von Beginn an. Ich wüsste zum Beispiel gerne, wer mein richtiger Vater und wer meine Mutter ist!«
Wie vom Donner gerührt starrte Faye die beiden an. Sie wagte nicht, näher heranzukommen, sondern lehnte sich wie betäubt an die gekachelte Wand. Die Luft war wie elektrisch aufgeladen von aufgestauten Emotionen, Wut und Hass. Liam atmete tief durch und setzte umständlich seine Brille auf.
»Wir haben beide dieselbe Mutter, Quin. Ihr Name ist Mi Mi. U Din und sie sind beide im früheren Burma geboren. Als sie U Din kennenlernte, war sie eine weiße Hexe und ein Mitglied des Jade-Zirkels. Nach meiner Geburt fing sie an, als Krankenschwestern im Hospital von Mandalay zu arbeiten. Dort hat sie dann schlussendlich auch den … den anderen Mann kennengelernt. Er war Arzt auf der Station, auf der sie immer Dienst hatte. Um die Geschichte abzukürzen: Sie hat mit diesem Mann ein Verhältnis angefangen. Dad ist vor Kummer fast wahnsinnig geworden, weigerte sich aber, sich scheiden zu lassen. Als sie nach ein paar Monaten mit dir schwanger wurde, ist sie zu diesem Mann gezogen. Er hat ihr anscheinend eine Menge Versprechungen gemacht und sie auch mental beeinflusst. Denn seit diesem Zeitpunkt hat sie weder zu Dad und mir, noch zum Jade-Zirkel je wieder Kontakt aufgenommen.«
Das Ticken der Wanduhr kam Faye wie das Ticken einer Bombe oder einer Handgranate vor. Sie fühlte beinahe körperlich die seelischen Qualen von Quin, der wie versteinert zugehört hatte. In seinem Gesicht bewegte sich nicht ein Muskel. »Und wo ist sie jetzt?«
Liam rutschte auf den Stuhl vor und sah seinen Halbruder an. »In diesem Punkt habe ich dich nie belogen, Quin. Mi Mi, unsere Mutter, ist bei deiner Geburt gestorben. Seitdem kümmern Dad und ich uns um dich.«
Quin lachte hart auf. »So, ich bin also ein Bastard. Und warum hast du dich dann um mich gekümmert?«
»Weil du mein Bruder bist und ich dich gerne hab.«
Ein hässliches Grinsen zog sich um Quins Mundwinkel. »Und wer ist mein Vater?« Liam schwieg eine Ewigkeit. Dabei glitt sein Blick nervös über Fayes Gestalt, die verstört an der Wand lehnte, schwenkte weiter zu der weißen Keramikspüle, wo der Wasserhahn leise vor sich hintröpfelte, glitt von der Kochzeile in die Mitte der Wohnküche und blieb schließlich an Quins Gestalt haften.
Er sah ihm nicht in die Augen, als er leise flüsterte: »Das weiß ich nicht. Alles, was
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