Tanz des Lebens
ihr starb – er war ihr kleiner Bruder, sie musste ihn beschützen. So grausam konnte das Leben doch nicht sein, oder? Fröstelnd zog sie die Schultern hoch. Niemand hatte ihr jemals beigebracht, gegen Natdämonen zu kämpfen oder sie gar zu beschwören. Verstört irrten ihre Augen durch den bunt erleuchteten Saal, bis sie Luke entdeckte, der mit den anderen in der Runde am Büffet stand. Bei seinem Anblick atmete sie erleichtert auf.
Alle waren sie heute Abend hier: Luke, Randy, Jhonfran, Zoe und Holly. Wie durch einen Nebel nahm sie die Pärchen auf der Tanzfläche wahr; manche küssten sich zärtlich, andere schlenderten engumschlungen auf die Terrasse hinaus und tauschten dabei verliebte Blicke. Als Liam sich vorbeugte und ihr mit einer hilflosen Geste über die Wange strich, überfiel sie das Bedürfnis, hysterisch zu kichern – oder laut loszuheulen.
Sie fühlte sich wie von einer Dampfwalze überrollt, denn Liams Worte hatten ihr mit einem Mal die endgültige Dimension ihres Alptraumes klargemacht: dass es tatsächlich ein Paralleluniversum mit dämonischen Kreaturen gab, die reale Menschen wie ihren über alles geliebten Bruder bedrohten und mit denen sogar Jhonfran vertraut war. Deshalb war Jonny heute Nachmittag auch so wortkarg gewesen. »Es wird schon alles wieder gut werden, ich lass dich bei dieser Sache nicht alleine. Das habe ich dir doch versprochen.«
Liam betrachtet sie und lächelte schief. Etwas unbeholfen nahm er ihre verschwitzte Hand und reichte ihr eine Visitenkarte. »Komm morgen mit Luke in die Karateschule. Ich versuche euch beide so gut, wie es in dieser kurzen Zeitspanne möglich ist, vorzubereiten. Mit Luke habe ich schon gesprochen. Für ihn ist es okay, wenn du einverstanden bist.«
»Wann hast du mit meinem Bruder –« Die restlichen Worte blieben ihr ihm Hals stecken, als eine ihr wohlbekannte Stimme sie gnadenlos unterbrach.
»Okay. Männerwahl. Ich darf dann mal abklatschen.« Vor ihr stand Quinton Noyee, der jetzt ungefragt seinen Arm um ihre Taille legte, sie fest an sich zog und über die Tanzfläche wirbelte. In seinem wie aus Stein gemeißelten Gesicht spiegelte sich keine Regung. Perplex ließ Faye es geschehen. Er war ein hervorragender Tänzer, der sie souverän über die Tanzfläche führte. Automatisch passte sie sich seinen geschmeidigen Bewegungen an.
Quin hüllte sich in Schweigen – sie wartete. Jetzt, da sie ihm so nahe war, spürte sie die ganze Macht seiner Anziehungskraft, die ihr den Boden unter den Füßen wegzog. Fasziniert beobachtete sie das Spiel seiner Muskeln auf seinem gebräunten Arm, als er sich die halblangen blauschwarzen Haare aus der Stirn strich. Krampfhaft atmete Faye ein und aus, um ihr laut klopfendes Herz zu beruhigen.
Als sie schüchtern den Kopf hob und seine dunklen Augen auf sich spürte, verlor sie sich ihn ihnen. Es schien, als blickte er direkt auf den Grund ihrer Seele. Das ironische Lächeln, das jetzt seine Mundwinkel umspielte, holte sie aus ihrem tranceähnlichen Zustand. Faye spürte, wie ihr die Röte ins Gesicht schoss. Als sie meinte, diese irrwitzige Situation kaum noch auszuhalten, beugte er sich unvermittelt vor und sie spürte seinen warmen Atem an ihrem Hals.
»Hör zu, mein Bruder denkt manchmal, dass er Mutter Teresa ist, und ist ganz versessen darauf, allen Menschenkindern dieser Welt helfen. Aber das kann er nicht.« »Ich habe nur Hilfe bei ihm gesucht, weil dein Bruder sich bei solchen Problemen auskennt und er hat mir seine Hilfe angeboten«, antwortete Faye empört. Quin starrte sie einen Moment ausdruckslos an, dann verstärkte er den Griff um ihre Taille und zog sie hart an seinen Körper.
Für eine Sekunde ließ sie es geschehen und schmiegte tonlos ihr Gesicht an seinen warmen Oberkörper. Er hielt sie eisern fest und wiegte sie sicher im Takt der Musik. Unter dem dunklen Hemd spürte seinen harten Herzschlag und nahm dabei den verführerischen Geruch seines Körpers wahr. Sein Duft war wie der Geruch des Gartens nach einem Sommergewitter.
Eine sinnlich berauschende Mischung aus würzigem Amber und frischgemähtem Gras. Ein wenig holzig, erdig und warm. Faye konnte es nicht anders beschreiben. Sein Geruch strömte eine wärmende Geborgenheit aus, die im totalen Gegensatz zu seinem unterkühlten Verhalten und seinem wie aus Marmor gemeißelten Gesicht stand. Und doch empfand sie es so. Gefährlich sanft zog er sie an sich und strich mit einem Finger die Ader an ihrem Hals nach.
»Also«,
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