Tanz des Lebens
Es kostete sie viel Energie, sich wieder auf ihre Aufgabe zu besinnen und den Blick auf das Meer zu lenken. Sich dicht an Randy haltend tauchte die Schnorchel-Gruppe in die Stille der Unterwasserwelt ab.
Randy schnorchelte dicht unter der Wasseroberfläche über einen Teppich mit riesigen Unterwasserbäumen, den sogenannten Kelps. Die Kelp-Wälder wurden von einer Vielzahl von Meerestieren bewohnt. Im klaren Wasser spiegelten sich von Seesternen und filigranen Anemonen überzogene Felsenriffs; Langusten vollzogen grazile Pirouetten um einen grimmig dreinguckenden Meerbarsch. Faye lachte laut auf, als sie einen Schwarm kleiner Fische sah, die selbstbewusst durch die Schnorchelgruppe hindurch wuselten.
Obwohl schon Mitte Juli, schien das Wasser eiskalt zu sein, was die junge Kanadierin mit spitz ausgestoßenen, bibbernden Huch-Lauten kommentierte, bevor sie eilig Randy hinterherschwamm, der sich jetzt bis auf wenige Meter einer zehnköpfigen Robbenfamilie genähert hatte. Neugierig schwamm ein Jungtier direkt vor Randys Taucherbrille und gab dabei schmatzende Grunzlaute von sich, woraufhin die Kanadierin einen weiteren spitzen Schrei ausstieß.
Ehe sie jedoch ihre Unterwasserkamera zücken konnte, war es schon wieder verschwunden. Doch nach einer Weile hatten sich die Tiere an die Anwesenheit der Gruppe gewöhnt und verloren ihre anfängliche Scheu. Sie sahen in den Tauchern anscheinend eine willkommene Abwechslung zu ihren Artgenossen und begrüßten sie freudig.
Neugierig knabberten und zogen sie an den Taucherflossen und begannen die menschlichen Bewegungen nachzuahmen. Wenn Randy sich tauchend drehte oder im Kreis schwamm – sie machten alles nach. Als die Schiffsglocke ertönte, fiel es allen sichtlich schwer, das Spiel zu beenden und sich von den niedlichen Säugern zu verabschieden.
»Na, amüsierst du dich gut?« Randy war an Deck gekommen. Er hatte sich umgezogen und trug nun wieder seine Shorts mit einem hellblauen Polo und legte wie selbstverständlich einen Arm um ihre Taille.
»Amüsieren?« Faye zog die Brauen hoch und bedachte ihn mit einem ironischen Blick, während sie den gelben Müllsack, in den sie die Abfälle der Ausflügler einsammelte, sinken ließ. »Du weißt schon, dass Sklavenarbeit verboten ist, oder?«
»Tschuldigung.« Zerknirscht scharrte er mit seinen Gummischlappen quietschend auf den weißen Teakholzplanken. Doch kurz darauf lächelte er verschmitzt, änderte seine Taktik und begann mit ihr zu flirten.
»Vergiss es, Boy«, informierte sie ihn und wand sich energisch aus seiner enger gewordenen Umarmung. »Du schuldest Zoe und mir ein Abendessen.«
»Kein Problem – wo?«
»Olivero’s«, kam es wie aus der Pistole geschossen.
»Ein Abendessen bei Olivero ?«
Randys Kopf schnellte so schnell hoch, dass vereinzelte Wassertropfen aus seinem nassen Haar auf Fayes Gesicht perlten. »Das ist ein Fünf-Sterne-Restaurant! Da kostet ein mickriger kleiner Mangoldblattsalat, über dem zwei einsame Kokosnussflöckchen schweben, die von ein paar Tomatenscheiben umgeben sind, unter denen man das noch kleinere Stückchen Steak mit einer Lupe suchen muss, ein Vermögen.«
»Eben darum«, erklärte sie ihm zuckersüß, während sie mit einem fröhlichen Lächeln auf den Lippen nach dem schweren Müllsack griff und ihn laut scheppernd über seine Füße nach draußen schleifte.
Als die Morning Glory an ihrem Anlegesteg ankam, sah Faye aus den Augenwinkeln ihre Freundin Holly auf dem Bootssteg stehen, die neben dem Jungen, der das Tau in Empfang nahm und es um die Mole schlang, recht aufgelöst aussah und aufgeregt auf den Fußspitzen auf- und abwippte, sodass sie die ganz in schwarz gekleidete Gestalt hinter ihr verdeckte. Mit einem unguten Gefühl stapelte Faye die nassen Neoprenanzüge in ihren Armen. Nachdem die Gäste das Boot verlassen hatten, trabte sie hinter dem Kapitän und mit Randy im Schlepptau über den schwankenden Steg.
»Mein Vater will mit dir sprechen«, stieß Holly atemlos aus.
Faye schluckte schwer und verlagerte das Gewicht auf ihren Armen. »Hi, Chief Tucker.«
»Hallo, Faye, wenn du einen Moment Zeit hast, möchte ich gerne mit dir sprechen.« Er folgte ihr wie ein Schatten in das Büro von R & R Whale Watching. Schwer atmend wuchtete sie die Tauchausrüstungen in das vorgeschriebene Regal. Dann drehte sie sich zu ihm um. »Habe ich einen Strafzettel wegen Falschparkens bekommen?«, fragte sie hoffnungsvoll. Doch der angespannte Blick des
Weitere Kostenlose Bücher