Tanz des Lebens
Polizeichefs verriet etwas anderes.
»Holly hat mir erzählt, dass du mit Luke im Moment alleine bist, weil Mike verreist ist«, fing er das Gespräch an.
»Stimmt«, bestätigte Faye, »aber wir kommen mit Mrs Duvals Hilfe prima klar. Ist ja nicht das erste Mal.«
»Aber es ist das erste Mal, dass sich eine wilde Bestie in den Wäldern aufhält und Monterey bedroht. Hast du gestern Abend keine Nachrichten geguckt?«
Auf ihr irritiertes Kopfschütteln begab er sich zu dem kleinen Fernseher, der am Ende des Büros stand, auf dem gerade die News-Bilder aufflackerten. Beunruhigt glitt Fayes Blick zu dem Bildschirm, während sie mit fahrigen Fingern die Tauchausrüstungen kontrollierte.
Der Ton war ausgestellt und so betrachtete sie nur leicht irritiert die Bilder. Was sie anfangs für eine Reportage gehalten hatte, waren jedoch die zusammengefassten Nachrichten der gestrigen Nacht. Das idyllische Waldgebiet von Monterey Cove leuchtete in der untergehenden Sonne auf und lud zum Träumen ein. Doch plötzlich lichtete sich der Pinienwald und gab den Blick auf unzählige Polizisten und Einsatzkräfte frei.
Dann traten vier Männer vor, die einen verzinkten Sarg unter großer Anstrengung zu dem bereitstehenden Leichenwagen trugen. Panisch strich Faye sich die Haare aus dem Gesicht. »Was bedeutet das?«
Chief Tucker drehte den Ton höher und sah sie mit ernstem Gesicht an. »Das bedeutet, dass eine unkontrollierte Kreatur zum Leben erwacht ist.«
Die Schwimmflossen glitten aus ihrer Hand und fielen mit einem quatschenden Geräusch auf den Holzboden. Abrupt drehte sie sich von den Regalen weg und sah Hollys Vater an. »Ihm wurde das Blut ausgesaugt, wie bei einem Vampir?«, fragte sie verstört.
»Nein, nein«, versuchte er sie zu beschwichtigen, aber die Besorgnis in seinen Gesten strafte seine Worte Lügen. »Das Blut ist noch da. Laut den ersten Untersuchungen wurde dem Mann einfach der Lebenssaft entzogen. Es ist, wie wenn jemand seine Gedanken, seine Erinnerungen, einfach alle lebensnotwendige Energie aus ihm gesogen hat. Sein Körper war weiß wie Schnee … wie eingefroren.« Mit schweren Schritten, die auf den Bohlen des Stegs hallten, begab er sich zum Fernseher und stellte den Ton wieder leiser.
»Ich will dir und Luke keine Angst machen. Aber die Leiche ist in unmittelbarer Umgebung von eurem Haus gefunden worden. Ich bin jetzt fast dreißig Jahre Polizeichef von Monterey. Aber sowas habe ich in meiner gesamten Laufbahn noch nicht gesehen, und darum fände ich es sinnvoll«, sagte er, während er verlegen mit seiner Mütze in seinen klobigen Händen spielte, »wenn du mit Luke zu uns ziehen würdest, solange euer Vater verreist ist.«
»Das geht nicht«, flüsterte Faye erstickt, während sie fieberhaft überlegte und dabei ihren Herzschlag in ihrem Kopf hallen hörte. Wenn sie in das Haus der Familie Tucker ziehen würden, waren sie auch nicht in Sicherheit. Der Black Mager, der den Ice Whisperer auf Luke gehetzt hatte, würde sie auch dort finden. Er würde sie überall auf der Welt finden, wie Liam ihr versichert hatte.
Es gab keine Barriere für diese bösartigen Kreaturen der Dunkelheit. Sie waren gezwungen, sich an die Noyee-Brüder zu halten. Wenn einer ihnen helfen konnte, dann war es einer von ihnen, das spürte Faye instinktiv. Woher sie diese Sicherheit nahm, wusste sie auch nicht, aber sie war da. Gerade wollte sie zu einer entschuldigenden Erklärung ansetzen, als Zoe mit der verängstigen Holly im Schlepptau durch die Tür kam.
»Sie müssen sich keine Sorgen machen, Chief Tucker. Meine Großmutter und ich passen auf sie auf. Und sie wissen doch, dass in dem Radius von meiner Granny noch nie etwas passiert ist. Einen besseren Wachhund als sie gibt es in ganz Monterey nicht.«
Die Tuckers sahen einander an und Hollys Unterlippe begann bedrohlich zu zittern. Sie wollte sowohl sich, als auch Faye und Luke in Sicherheit wissen. Und Sicherheit bedeutete für sie das Haus ihrer Familie unter dem Schutz ihres Vaters. Alle, auch Paul Tucker, ihr eigener Vater, wussten, dass sie sensibel war und die Realität am liebsten ausblendete.
Faye wusste, dass ihre Freundin felsenfest daran glaubte, dass unter dem Dach eines Polizeichefs die Welt noch in Ordnung war, genauso wie in den Romanen. Doch auch die Polizei war nicht allgegenwärtig. Die heile, vorgegaukelte Märchenwelt aus Hollys Liebesromanen existierte in der Brutalität des irdischen Lebens nicht. Es gab Hexen und Druiden, die die weißen
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