Tanz des Lebens
Gelbkiefern einen dichten Wald bildete, und dahinter entdeckte Faye erleichtert das Gebäude, das sie suchte. Es schien von innen heraus zu leuchten – wie ein stetiges Glühen, das ihr aus weiter Ferne auf den Klippen den Weg zum Haus wies.
Beim Näherkommen erkannte sie, dass es sich um ein größeres Gebäude handelte, der von einer großen Terrasse umrandet und mit grünen Schlingpflanzen überdacht war. Mühsam schleppte sich Faye die weißgekalkten Treppenstufen hoch. Noch bevor sie ihre Hand ausstreckte, öffnete sich die schwere Eingangstür.
Ihr Blick war immer noch schwammig, aber vage erkannte sie eine Gestalt mit smaragdgrünen Augen. Diese ergriff jetzt resolut ihre Hand und zog sie zügig ins Innere. »Komm, ich zeige dir das Bad. Trockene Kleider liegen auf der Kommode. Ich hab dir was von mir rausgesucht; wir scheinen ungefähr die gleiche Größe zu haben.«
»Ddd…danke«, stammelte Faye.
Ihr war eiskalt. Mittlerweise schlugen ihre Zähne unkontrolliert klappernd aufeinander und ihre mit Blutpunkten gesprenkelten Hände waren wie Eiszapfen. Behutsam nahm die Fremde ihre Hand und führte sie über eine steile Steintreppe in den ersten Stock.
Nach der Dusche fühlte sich Faye etwas besser. Ihre Lebensenergie kehrte in ihren Körper zurück; nach und nach kam auch wieder Gefühl in ihre verfrorenen Gliedmaßen und die grässlichen Male waren von ihrer Haut verschwunden. Schnell schlüpfte sie in die bereitgelegten Sachen. Sie passten perfekt, nur die schmalen Ärmel der weißen Plisseebluse musste sie zweimal umkrempeln.
Nachdem sie auf der Kommode auch eine Bürste entdeckt hatte, fuhr sie sich rasch durch das nasse Haar. Als ihr Blick dabei auf ihre schlammverschmutzen und triefenden Turnschuhe fiel, entschloss sie sich auf Socken hinunterzulaufen. Während sie den Gang entlanglief, bemerkte sie erstaunt, dass es draußen absolut windstill war – kein Hauch wehte mehr.
Umso deutlicher vernahm sie hinter den massiven Holztüren, die sich rechts und links des Ganges befanden, bettelnde Stimmen, gefolgt von einem leisen Wehklagen und beschwichtigendem Murmeln. Zaghaft lief Faye weiter und klopfte an die Küchentür. Bei ihrem Eintreten kniete jemand vor dem urtümlich aussehenden Kamin und warf einige Holzscheite ins Feuer, als ein großer schwarzer Labrador quer durch den Raum jagte und begeistert an Faye hochsprang.
Gebannt starrte sie ihn an. Unterdessen erhob sich die Frau und stand still da, wartete ab und ließ Faye keinen Moment lang aus den Augen. Der Hund schnupperte an Fayes Jeans, stieß ein fröhliches Kläffen aus und begann sich danach ausführlich zu schütteln. Wie hypnotisiert beobachtete sie die aufspritzenden Wassertropfen, die aus seinem nassen Fell durch die Luft perlten.
»Ihr wart beide vollkommen durchnässt. Merlin macht das nichts aus. Aber du scheinst ziemlich erschöpft zu sein, nicht wahr?« Die Stimme klang mitfühlend und Merlin kläffte eifrig, als er seinen Namen hörte. »Setz dich an den Tisch. Ich habe uns heißen Kakao gemacht.«
Geschickte Handgriffe füllten zwei Becher mit dampfender Milch, rührten das Schokoladenpulver ein und gaben eine großzügige Sahnehaube obenauf. Zum Schluss streuten sie eine Prise Zimt auf den Schaum und binnen weniger Augenblicke erfüllte ein würziger Duft den Raum. Leise klirrend wurde eine Tasse vor Faye auf den Tisch gestellt. Nervös biss sich Faye auf die Unterlippe. »Wie … Ich meine, woher wussten Sie, dass ich komme … Warum lagen die Kleider schon für mich bereit, so als ob Sie mich erwartet hätten?«
Eine Zeitlang herrschte Schweigen, nur die Holzscheite knackten ab und an in der Glut, was Merlin, der sich zu einem kugeligen schwarzen Fellknäuel vor dem Kamin zusammengerollt hatte, nur ein müdes Grunzen entlockte. Die Stille dieser Minuten einte Faye auf eine seltsam beruhigende Weise mit der vor ihr sitzenden fremden Person.
Die ganzen letzten Tage hatte sie sich Lukes verrückten Gedanken gebeugt, den Tod zu leugnen. Er hatte darauf bestanden, ihren Alltag so weiterzuleben, als gäbe es keine Ice Whisperer mit ihren dunklen, tödlichen Siegeln. Als wäre es ein ganz normaler kalifornischer Sommer – aber das war es nicht – und würde es auch nie wieder sein.
Jeder von ihnen wusste das und es kostete Faye eine fast unmenschliche Anstrengung, den Wunsch ihres Bruders zu respektieren. Vielleicht empfand sie es deshalb wie eine beruhigende, tröstende Umarmung, hier an diesem geheimnisvollen
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