Tanz im Feuer
schließlich genauso unglücklich war wie ich. Das kann ich dir nicht zumuten, Chad. Und mir kann ich es auch nicht zumuten – von Sarah ganz zu schweigen.«
»Diesmal wäre es anders, Leigh«. Er breitete flehend die Hände aus. »Ich habe doch mit eigenen Augen gesehen, wie du selbst in größter Not nicht den Mut verloren hast. Du warst tapferer, als es die meisten Frauen in ihrem ganzen Leben sein müssen. Mein Gott! Du hast mitten in derWüste, ohne Betäubung, ohne irgendwelche Schmerzmittel ein Baby zurWelt gebracht. Und niemand war da, um dir zu helfen – abgesehen von einem Mann, der vor lauter Angst, er könnte dir oder dem Baby irgendwie wehtun, kaum einen Finger zu rühren wagte. Und trotzdem hast du gelächelt.«
»Was blieb mir denn anderes übrig?«, antwortete sie mit einem traurigen Lachen.
»Eine Menge«, versicherte er ihr eindringlich. »Sharon hätte auch keine Überdosis Schlaftabletten schlucken müssen. Sie hätte sich dem stellen können, was mir passiert war. Sie hat sich anders entschieden.«
Leigh fühlte, wie ihre mühsam errichteten Schutzmauern unter dem Bombardement seiner Beteuerungen zu bröckeln begannen. Sharons Selbstmord musste ein schwerer Schlag für Chad gewesen sein, vor allem, wenn man sich vor Augen hielt, dass er sie eigentlich vor den Gefahren dieserWelt hatte beschützen wollen. Leigh sah seinen gequälten Gesichtsausdruck und bekam plötzlich Mitleid mit ihm. Am liebsten hätte sie ihn in die Arme genommen und an sich gezogen. Und in diesem Moment begriff sie, dass sie nicht einfach aufhören konnte, Chad zu lieben. Sie konnte nicht einmal aufhören, sich mit ihm zu treffen, auch wenn das zweifellos am vernünftigsten gewesen wäre. Sie konnte ihn nicht einfach gehen lassen. Sie wusste, welches Risiko sie einging, wenn sie sich zu ihrer Liebe bekannte. Sie wusste, dass sie leiden würde, wenn er wieder fortmusste, aber dieser Alptraum schien in diesem vertraulichen, zärtlichen Augenblick unendlich weit entfernt. Sie würde sich ihm stellen, wenn es so weit war. Nicht jetzt. Nein, jetzt nicht.
Sie strich ihm sacht übers Haar und flüsterte: »Das mit Sharon tut mir leid, Chad.«
Es war ihm anzusehen, wie gut ihm ihre Berührung tat. Er bedankte sich mit einem melancholischen Lächeln. »Ich weiß, dass es besser gewesen wäre, dir schon früher von ihr zu erzählen, aber ich konnte es einfach nicht riskieren, dich zu verlieren.« Er legte den Kopf in ihren Schoß und schlang die Arme um ihren Leib. In einer hilfesuchenden und gleichzeitig verführerischen Geste drückte er sein Gesicht zwischen ihre Schenkel und wiederholte: »Ich brauche dich, Leigh. Bitte schick mich nicht weg.«
Obwohl ihre Kleidung zwischen seinem Mund und ihrem Körper war, begann ihr Herz zu rasen. Ihre Standhaftigkeit schmolz unter seinen Lippen dahin. »Chad, wir kennen einander doch kaum.Wir können an einer Hand abzählen, wie oft wir uns begegnet sind.«
»Ich weiß, dass ich dich liebe, seit ich dich im Krankenhaus abgeliefert habe. Schon damals wollte ich mein Leben mit dir und Sarah teilen«, hörte sie ihn aus derTiefe ihres Schoßes antworten.
»Warum bist du dann nicht bei mir geblieben? Oder schon früher zurückgekommen?«
Er legte den Kopf zur Seite, so dass sie sein scharf geschnittenes Profil sehen konnte. Der Anblick kam ihr so vertraut vor, als hätte sie ihr ganzes Leben an Chads Seite verbracht. Plötzlich konnte sie selbst kaum glauben, dass sie sich erst so selten begegnet waren.
»Der Zeitpunkt war denkbar ungünstig, deshalb wollte ich ein bisschen Zeit verstreichen lassen. Ich wusste ja nicht, ob du Greg noch nachtrauertest. Schließlich war seit seinemTod noch kein Jahr vergangen, und du hattest gerade sein Kind geboren, das letzte Bindeglied zwischen dir und ihm.« Er hielt inne und hing einen Moment seinen Gedanken nach. »Ich wäre mir wie ein Eindringling vorgekommen«, erklärte er dann. »Nein, ich musste dir Zeit lassen, damit du dich körperlich und seelisch von den Strapazen erholen konntest, die du durchgemacht hattest. Und dann begannen plötzlich die Bohrlöcher überall auf derWelt verrücktzuspielen.Wie vomTeufel gejagt raste ich wochenlang rund um den Globus von einem Brand zum nächsten. Außerdem …« Er zögerte kurz. »Außerdem hatte ich Angst, dass es dir peinlich sein könnte, mich wiederzusehen. Es ist nicht selten, dass Menschen, die eineTragödie oder ein außergewöhnliches Ereignis zusammenbringt, einander unter normalen
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