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Tanz im Mondlicht

Tanz im Mondlicht

Titel: Tanz im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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Tränen zum Überlaufen. Sie rannen ihr über das Gesicht in den Mund. »Ich bin Chloe. Das ist mein Name …«
    Jane brachte kein Wort über die Lippen. Chloe entriegelte die Tür, und Dylan riss sie auf. Er packte Chloes Hand, zog sie aus dem Wagen, als hätte er sie soeben aus den Fängen ihres Entführers gerettet. Sharon schloss Chloe in die Arme, und Jane hörte, wie beide schluchzten.
    Janes und Dylans Blicke trafen sich einen Moment. Sein Blick schien zu besagen, sie sei es nicht wert, dass man ihr auch nur eine Träne nachweinte. Das Gefühl, verraten worden zu sein, spiegelte sich in seinen Augen, aber das war nichts im Vergleich zu dem Schmerz in denen Chloes. Wortlos legte sie den Rückwärtsgang ein, fuhr die Einfahrt hinunter.
    Erst als sie am Apfelstand vorbei war, vorbei an dem verwitterten Zaun, der die Grenze der Plantage markierte, vorbei an der alten roten Scheune auf dem sanften Hügel inmitten der Apfelbäume, bemerkte Jane, dass Chloe zwei Dinge hinterlassen hatte: die weiße Papiertüte mit dem Schwangerschaftstest und einen Blutfleck auf dem Autositz.
    Chloe hatte ihre Periode bekommen.
    Ein Lächeln zuckte um Janes Lippen. Ein flüchtiges, als ihr klarwurde, dass es letztlich doch am schlechten Karma gelegen haben musste. Dann erstarb das Lächeln.

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    DRITTER TEIL
    Das Licht des Silbermondes
       

Kapitel 26
    D ie Zeit verstrich unendlich langsam. Margaret fragte sich, warum es in Cherry Vale überhaupt Uhren gab. Als sie heute Morgen auf die Uhr gesehen hatte, war es Punkt neun gewesen. Als sie abermals einen Blick darauf warf, waren erst zehn Minuten vergangen. Gleichzeitig vergingen die Tage wie im Flug. Der Montag ging nahtlos in den Dienstag über, der wiederum mit dem Beginn der nächsten Woche zu verschmelzen schien. Der längste Tag des Jahres kam und ging. Das galt auch für den 4. Juli, der mit einem Festmahl im Freien und Liedern zum Mitsingen begangen wurde.
    Es gab auch einen Kalender. Ein sehr großes Rechteck aus Papier mit einem Verzeichnis der Tage im Monat, die darauf warteten, angekreuzt oder durchgestrichen zu werden. Daneben hing eine Pinnwand aus Pappe mit rechteckigen Informationsblättern aus Packpapier, die täglich ausgewechselt wurden, um den Heiminsassen zu helfen, den Lauf der Zeit einzuordnen. Darauf hieß es:
     
    Hallo! Heute ist:Sonntag, der 30. Juli
    Das Wetter ist: SONNIG (Bild von einer
Sonne mit lächelndem
Gesicht)
    Die Temperatur beträgt: 29 Grad Celsius
    Der nächste Feiertag ist: der 1. Montag im
September, Labor Day
     
    Während sie vor dem Stationszimmer in ihrem Rollstuhl saß, starrte Margaret das Informationsblatt an. Sie bildete gemeinsam mit sieben anderen Insassen eine Schlange, die darauf wartete, zum Mittagessen geschoben zu werden. Der Mann zu ihrer Linken döste und schnarchte laut vor sich hin. Ein wenig appetitlicher Speichelfaden rann ihm dabei über das Kinn. Er war kahlköpfig, trug eine goldgeränderte Brille und hatte ein aufgeschlagenes Exemplar des
Wall Street Journal
auf seinem Schoß.
    Der Mann zu ihrer Rechten kratzte eine schuppige Stelle auf seinem Handrücken. Er kratzte so heftig, dass Margaret fürchtete, er würde gleich zu bluten beginnen. Doch sie hielt ihre Zunge im Zaum, dachte daran, wie oft sie Schüler auf dem Flur abgefangen und ermahnt hatte, Mückenstiche oder Hautausschläge, hervorgerufen durch die Berührung von Efeu, nicht aufzukratzen. Der Mann, der volles weißes Haar hatte und eine dicke Hornbrille trug, war alt genug, um zu wissen, dass es besser war, mit dem Kratzen aufzuhören.
    Margarets Augen füllten sich mit Tränen. Ihre Füße schmerzten, sie hatte Magnete in den Schuhen. Die gebrochene Hüfte heilte; die Krankengymnastik verschlang so viel Zeit, dass sie noch keine Gelegenheit gehabt hatte, sich anderen Aktivitäten zu widmen oder sich mit den übrigen Insassen bekannt zu machen. Zumal der Uringeruch, der von einigen inkontinenten Mitbewohnern ausging, zutiefst entmutigend war. Die Betreuerinnen eilten geschäftig hin und her, lächelten und riefen laut »Hallo, Jack«, »Hallo, Sam«, »Hallo, Dorothy«, als wäre jedermann taub.
    Margaret begrüßten sie nicht. Zumindest nicht mit Namen. Sie war mittlerweile seit dreißig Tagen hier. Das Pflegepersonal, das während der Woche seinen Dienst versah, kannte sie, aber heute war Sonntag und die Wochenend- und Urlaubsvertretungen wechselten häufig – die Ferienzeit im Sommer wirkte sich verheerend auf die Schichtarbeit aus.

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