Tanz im Mondlicht
Pfeiffer’sches Drüsenfieber. Was weiß ich.«
Chloe warf sich in Monas Arme und holte so tief Luft wie möglich. »Ach du liebe Zeit, ich hoffe, dass ich mir das Gleiche hole. Dann steht mein Leben auf des Messers Schneide und man schickt mich zur Erholung in ein Sanatorium nach Chile.«
»Nach Chile zu reisen ist mein großer Traum. Ich beabsichtige, meine älteste Tochter Tierra del Fuego zu nennen.«
»Und was ist, wenn du einen Jungen bekommst?«
»Dann wird er Gilbert Albert heißen, nach dem Typen, in den du verknallt bist. Du lieber Himmel, wie kann man sich nur in jemanden mit einem so bescheuerten Namen verlieben?«
»Ich bin nicht in ihn verliebt. Ich hasse ihn.«
»Das liegt nur daran, dass er seit Freitag ein Herz und eine Seele mit Lena ist.«
»Wer hat dir denn das erzählt?«
»Ich habe überall meine Spione. Hast du mir etwas mitgebracht?« Mona öffnete Chloes Büchertasche. Sie kramte darin und hustete, als sie eine Tüte mit getrockneten Aprikosen und Rosinen fand.
»Iss die bloß nicht«, sagte Chloe warnend. »Ich glaube, die schleppe ich schon seit letzten Herbst mit mir herum. Ich habe dir eine Grußkarte mitgebracht, selbstgemacht. Da.«
Mona öffnete sie. Stolz betrachtete sie die Zeichnung vom Dschungel, bewunderte sie wie eine Mutter das Kunstwerk ihres Kindes. Dann las sie die Botschaft. »Die Schule ist ein Dschungel, in dem man viel erleben kann …« Sie sah Chloe zweifelnd an. »Was willst du damit sagen?«
»Ich wollte dich anspornen, so bald wie möglich zurückzukommen. Ich vermisse dich.«
»Ich vermisse dich auch, aber den Empfänger einer Grußkarte zu beschwindeln bringt nichts. Das erinnert mich an die Karte zum Muttertag, die ich letztes Jahr für Betty Lou gekauft habe. Wie du dir vorstellen kannst, ist die Auswahl in der Stiefmutter-Sparte ziemlich spärlich. Trotzdem fand ich eine Karte mit einem richtig netten Text, so in der Art, wie gut sie in die Familie passt …«
Chloe kicherte. »Ich erinnere mich, wie begeistert sie war.«
»Im Ernst. Sie ist der Meinung, die Familie passt zu ihr und nicht umgekehrt. He – wie wär’s, wenn wir ein eigenes Grußkarten-Sortiment entwerfen? Die passiv-aggressive Produktlinie.«
»Du verbringst zu viel Zeit mit deinem Klapsdoktor«, lachte Chloe.
»Du könntest auch einen gebrauchen. Anonyme Botschaften an der Fleischtheke hinterlassen und dafür einen Rausschmiss riskieren! Oje! Und was weiß ich, was du sonst noch auf dem Kerbholz hast – hast du nicht neulich versucht, die Unterschrift deiner Eltern zu fälschen?«
Chloes Lächeln verschwand.
Mona lächelte und hustete gleichzeitig, dann versetzte sie ihrer Freundin einen spielerischen Faustschlag auf den Arm. »Na komm, mach nicht so ein Gesicht – das ist doch irre, oder? Fährt einfach mit dem Bus nach Providence zum Familiengericht und legt auch noch eine Genehmigung mit der gefälschten Unterschrift der Eltern vor … Und als das nichts gebracht hat, kreuzt du abermals dort auf, mit
Hut
und einem Ring, mit dem Geburtsstein nach unten gedreht, um ihnen weiszumachen, das sei ein Ehering und du wärst volljährig und verheiratet …«
»Schon gut, schon gut – hör auf, Mona.«
»Jetzt sag selber,
wer
von uns beiden braucht den Klapsdoktor?«
»Ich weiß. Das war ein bisschen verrückt.«
Mona sank in sich zusammen, hustete erneut. Chloe klopfte ihr besorgt auf den Rücken. Sie beugte sich vor, spähte um die Ecke, um zu sehen, ob Betty Lou in der Küche war.
»Niemand zu Hause«, sagte Mona. »Sie ist beim Hautarzt. Soll ich dir mal was völlig Verrücktes erzählen?«
Chloe nickte, in der Hoffnung, vom Thema Mütter wegzukommen.
»Sie lässt sich Spritzen verpassen, zwischen die Augenbrauen. Dieses … Botox … man stelle sich das vor!«
»Gift?«
»Ja! Es lähmt die Gesichtsmuskeln. Genau an dieser kleinen Stelle zwischen den Augen, wo die Falten vom Stirnrunzeln entstehen. Jetzt kann sie die Stirn runzeln, sooft sie will, es bilden sich nie wieder Falten.«
»Das Gift lähmt ihr Gesicht? Das Botulinustoxin?«
Mona nickte, schob die Brille auf ihrer Nase hoch und hustete wie wild.
»Botox … Botulismus – Botulinustoxin? Ob ich ihr das mal übersetzen sollte? Und das ist das Vorbild, zu dem ich aufsehen muss. Ich glaube, meine Mutter wäre sehr traurig, wenn sie wüsste, dass mein Vater eine solche Null geheiratet hat.«
Monas Augen füllten sich mit Tränen, und Chloe wusste, dass sie nicht vom Husten kamen. Die Mädchen
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