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Tanz im Mondlicht

Tanz im Mondlicht

Titel: Tanz im Mondlicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Luanne Rice
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hatte; er hatte sie so lange zur Schau getragen, dass sie manchmal auf seinem Gesicht festgefroren schien. Dahinter verbarg sich Angst, Ärger und Wut auf Gott und die Welt.
    »Was ist los?«
    »Affen werden aus dem Dschungel entführt, ich verliere meinen Job und kann den Katzen kein gesundes Futter mehr kaufen, in der Schule werde ich verspottet, meine beste Freundin ist krank und hat niemanden, der sie pflegt, es ist mein gutes Recht zu erfahren, wer ich bin, und ich hasse die ganze Welt«, erwiderte sie mit brüchiger Stimme, als sei er der Feind und schwach obendrein.
    »Hast du meine Nachricht gelesen?«, fragte er, um sie etwas abzulenken.
    »Oh!« Sie klopfte auf ihre Büchertasche, dann begann sie darin zu kramen. »Die hätte ich beinahe vergessen.« Sie holte den Umschlag heraus. Er sah zu, wie sie das Blatt Papier entnahm und blinzelnd seine Handschrift betrachtete. Er hatte ihr den Brief gestern Abend geschrieben, als er nicht schlafen konnte, lange nachdem die Lichter im Haus seines Bruders erloschen waren.
    »Soll ich laut vorlesen?«, fragte sie.
    »Nur das Zitat.«
    »In Ordnung«, sagte sie, dann las sie: »›Gewalt vermehrt nur den Hass … fügt einer sternenlosen Nacht nur eine zusätzliche, noch tiefere Dunkelheit hinzu. Dunkelheit kann die Dunkelheit nicht vertreiben: Das vermag nur das Licht. Hass kann den Hass nicht vertreiben: Das vermag nur die Liebe.‹ Dr. Martin Luther King jr. Aha. Das hast du gestern Abend gemeint, als du von der ›sternenlosen Nacht‹ gesprochen hast, oder?«
    »Ja.«
    Sie sah ihn fragend an. »Warum hast du das geschrieben?«
    »Weil ich dachte, du solltest es wissen.«
    »Aber warum?«
    Er fuhr stumm weiter. Er konnte ihr den wahren Grund nicht verraten, oder zumindest nicht die ganze Wahrheit. Aber sie war einfühlsam und aufgeweckt, würde von allein darauf kommen. »Weil du mich daran erinnerst, wie ich in deinem Alter war.«
    »Und wie?«
    »Sagen wir, du besitzt einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn.«
    Sie wandte den Blick ab, presste die Stirn gegen das Seitenfenster. Sie bogen von der Hauptstraße auf den schmalen, mit tiefen Schlaglöchern übersäten Feldweg ab, der zur Plantage führte. Unmittelbar bevor sie die Auffahrt erreichten, die sich beide Anwesen teilten, deutete Dylan auf den verwahrlosten Obststand.
    »Möchtest du dir nach der Schule ein bisschen Geld verdienen?«, fragte er.
    »Und was tun?«
    »Die Arbeit ist hart.«
    »Kein Problem. Die Katzen brauchen Futter. Also, worum geht es?«
    »Wie wäre es, wenn du den Stand wieder herrichten würdest?«
    »Den Verkaufsstand?«
    Dylan nickte. »Wie du siehst, befindet er sich in einem beklagenswerten Zustand. Du müsstest ihn entrümpeln und streichen. Ich setze die Regale wieder instand.«
    »Und das Schild?«
    »Ach ja. Das werde ich auch restaurieren. Ich glaube, es ist in der Scheune.«
    »Chadwick Apple Orchards«, flüsterte sie. »Isabel und ich haben früher am Stand gearbeitet, als wir Kinder waren. Grandpa brachte uns Ahornzucker, Honigwaben und Apfelpasteten.«
    »Ich weiß. Ich erinnere mich.«
    »Der Stand war lange geschlossen.«
    Dylan sah zu Chloe hinüber. Ihre Haut war blass, unter ihren Augen lagen die bläulichen Schatten der Schlaflosigkeit, ihr glattes dunkles Haar besaß nicht die geringste Ähnlichkeit mit anderen Mitgliedern der Chadwick-Familie. Sie trug zerrissene Jeans und hatte einen Stern aus Tinte auf ihrem Handrücken, und Dylan meinte zu hören, wie Isabel ihn anflehte, ihrer Cousine zu helfen.
    »Genau deswegen brauche ich deine Hilfe«, erwiderte er brüsk und hielt vor ihrem Haus an.
    »In Ordnung. Du bekommst sie.«
    »Gut.«
    »Können wir auch mehr als Äpfel verkaufen? Zum Beispiel Ahornzucker, Honigwaben und Apfelpasteten?«
    Dylan warf ihr einen langen Blick zu, der besagte, dass man nichts übereilen sollte.
    Sie lachte. »Sag mir einfach, wann ich anfangen soll.«
    »Noch an diesem Wochenende«, sagte er. »Samstagmorgen, in aller Herrgottsfrühe.«
    Sie nickte, schnappte ihre Büchertasche und den Umschlag mit seiner Botschaft und lief quer durch den Garten zum Haus. Er erinnerte sich, wie die beiden Mädchen eines Abends im Frühjahr eine Handvoll Löwenzahn gepflückt, die Samen in den Wind gepustet und gelacht hatten, überglücklich, zusammen zu sein.
    Zusammen.
    Was bedeutete das eigentlich? Während er davonfuhr, bezweifelte Dylan, ob er es überhaupt noch wusste.

Kapitel 6
    D as Pädagogen-Dinner, zu dem jeder etwas Essbares beisteuerte,

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