Tanz im Mondlicht
sagte Chloe. »Ich muss Gewissheit haben. Gehst du mit mir hinein?« Sie öffnete die Augen, gerade in dem Moment, als eine wasserstoffblonde Frau am Wagen vorbeiging. Chloe schnappte nach Luft und duckte sich. Die Blonde nahm die Bewegung aus dem Augenwinkel wahr und sperrte den Mund auf; offenbar hatte sie Chloe erkannt.
»Fahr weg, fahr weg«, rief Chloe.
Jane zögerte, dann drehte sie den Zündschlüssel um.
Die Blonde klopfte an die Scheibe, konnte aber nur Chloes Scheitel erkennen. »Chloe, bist du das? Ich bin’s – Betty Lou! Monas Mom.« Sie winkte Jane zu, versuchte, auf sich aufmerksam zu machen.
»Fahr los, bitte«, flehte Chloe.
Jane legte den Rückwärtsgang ein, fuhr Betty Lou beinahe über den Haufen und manövrierte den Wagen aus der Parklücke.
»Hat sie mich gesehen?« Chloe tauchte vorsichtig aus der Deckung auf und spähte über die Rückbank, als Jane mit Karacho den Parkplatz verließ.
»Sie hat deinen Namen gesagt …«
»Ich werde behaupten, dass sie mich verwechselt hat – mit einem Mädchen, das so ähnlich aussieht wie ich. Ich könnte – deine Tochter sein!«
Jane fuhr weiter, zwang sich, die Augen auf den weißen Mittelstreifen zu richten.
»Wir haben beide dunkle Haare. Wir wissen beide, wie romantisch es ist, die Sterne in den Bäumen zu betrachten. Das weiß schließlich nicht jeder. Meiner Mutter wäre es am liebsten, wenn die Plantage abgeholzt würde, damit dort Häuser gebaut werden können.«
Jane nickte stumm. Aber sie hatte die Worte »meine Mutter« registriert.
»Betty Lou ist nicht Monas richtige Mutter«, sagte Chloe, als sie sich zunehmend vom Parkplatz entfernten. »Auch wenn sie behauptet hat, sie wäre ›Monas Mom‹. Das ist sie nicht. Genauso wenig, wie meine Mom meine richtige Mutter ist.«
»Aha.« Jane fuhr nach Osten, rein zufällig, weil der Wagen in diese Richtung geparkt gewesen war.
»Ich bin adoptiert.«
»Wirklich?«
Chloe nickte. »Aber wenigstens liebt mich meine Adoptivmutter und behandelt mich gut – nicht wie Betty Lou und Mona. In dieser Hinsicht hatte ich Glück.«
»In welcher Hinsicht?«
»Dass ich geliebt werde. Von meiner Adoptivmutter. Eines weiß ich schon jetzt.« Sie hielt den Schwangerschaftstest hoch. »Wenn der positiv ist, behalte ich das Baby.«
Jane warf ihr einen raschen Blick zu.
»Ich wäre nie in der Lage, mich so zu verhalten wie meine leibliche Mutter.«
»Was hat sie getan?« Janes Mund war trocken.
»Mich zur Adoption freigegeben. Sie hat mich zur Welt gebracht … mir einen Namen gegeben … und dann hat sie mich einfach weggegeben. Sie ging noch zur Uni, musste ihre Ausbildung beenden. Das Studium war ihr wichtiger als ich.«
Im Wagen war es totenstill, bis auf das Geräusch der Reifen, die sich auf der Straße drehten. Jane brachte keinen Ton heraus. Ihre Haut brannte. Jede Handbreit ihres Körpers schmerzte, am liebsten hätte sie die Wahrheit herausgeschrien. Doch sie fuhr schweigend weiter. »Ich bin sicher, so einfach war das nicht«, sagte sie nach einer Weile.
Chloe antwortete nicht. Sie hatte die Packung mit dem Schwangerschaftstest geöffnet und las die Gebrauchsanweisung. Dann hob sie den Kopf und blickte sich suchend um. Sie befanden sich auf einer wenig befahrenen Landstraße, in der Mitte von Nirgendwo.
»Könntest du bitte anhalten?«, fragte sie, als hätte sie Janes Antwort nicht gehört.
»Hier?« Jane zitterte noch immer. »Hier ist doch weit und breit nichts. Wir sind gleich in Lambton – dort finden wir sicher eine Tankstelle …«
»Nein – hier. Ich mache den Test im Wald. Das wird ein gutes Omen sein.«
»Dein Onkel hat mir erzählt, dass du die Natur liebst.« Jane versuchte zu lachen und ihre Fassung wiederzugewinnen.
»Stimmt.« Kaum war Jane rechts rangefahren, auf den sandigen Rand der schattigen Landstraße, sprang Chloe auch schon zur Tür hinaus und stürzte sich ins Gebüsch. Die Gebrauchsanweisung für den Test lag auf dem Sitz, ein weißes Blatt Papier, vor lauter Eile weggeworfen. Janes Hände zitterten, als sie es ergriff und zu lesen begann.
Die gedruckten Worte verschwammen, genau wie ihre Gedanken. Sie dachte an ihre Mutter, die vermutlich gerade aus der Narkose erwachte. Sylvie würde außer sich sein, weil Jane nicht da war, gerade jetzt, wo ihre Mutter Beistand brauchte. Sie dachte an Chloes Familie – ihre Adoptiveltern –, die sich möglicherweise Sorgen machten, wo sie stecken mochte. Sie hoffte, Betty Lou hatte die Situation nicht
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