Tanz ins große Glueck
heiß", sagte er und setzte die Becher auf die Frisierkommode, um dann Ruth in die Arme zu nehmen. "Du duftest herrlich", murmelte er an ihrem Nacken.
Seine Haut war wie ein Reibeisen, als er mit der Wange über ihre Wange strich. Ruth mochte es und lachte in sich hinein.
"Ich sollte mich rasieren, nicht wahr?"
"Ja", bestätigte Ruth und küsste ihn leicht auf die Lippen.
"Es würde Dawidow nicht gut tun, unrasiert zum Training zu erscheinen."
"Ich habe einen Rasierapparat und ein frisches Trikot in meinem Büro", murmelte er.
Ruth sah ihm nach, als er im Badezimmer verschwand. Er sang unter der Dusche etwas auf Russisch. Sie summte mit, als sie ihm ins Bad folgte, um sich die Zähne zu putzen. "Wie ist der Text von dem Lied?" fragte sie, den Mund voller Zahnpasta.
"Es ist ein altes Lied", antwortete er. "Und tragisch. Die schönsten russischen Lieder sind alt und tragisch."
"Ich bin mal mit meinen Eltern in Moskau gewesen." Ruth spülte sich den Mund aus. "Es war sehr schön - die Gebäude, der Schnee. Du hast sicher ab und zu Heimweh, nicht?"
Sie hatte keine Zeit aufzuschreien, als Nick sie um die Taille packte und sie mit unter die Dusche zog.
"Nick!" Sie war blind vom herunterströmenden Wasser und rieb sich die Augen. Das Trikot klebte an ihr wie eine zweite Haut. "Bist du verrückt?"
"Ich brauche dich, um meinen Rücken zu waschen", erklärte er und zog Ruth enger an sich. "Aber ich habe jetzt eine bessere Idee."
"Deinen Rücken waschen!" Ruth wollte sich aus seinem Griff befreien. "Ich bin angezogen, wenn du es noch nicht bemerkt haben solltest."
"Oh, ja?" Er lächelte freundlich. "Macht nichts. Ich richte das schon." Er zog ihr das Oberteil über die Schultern, noch ehe Ruth wusste, wie ihr geschah.
"Ich habe mich schon geduscht", protestierte Ruth und rang mit ihm.
"Du kannst mit mir duschen. Ich bin ein großzügiger Mensch."
Er küsste sie fordernd, während das Wasser auf sie
herabprasselte.
"Nick." Sie wollte ihn davon abhalten, ihr auch noch die Trikothose auszuziehen. "Wir haben Training."
"Wir haben Zeit", entgegnete er, und Ruth hörte auf, gegen ihn zu kämpfen. "Wir nehmen uns die Zeit."
Er zog ihr das Trikot die Hüfte herunter.
Arabeske, Pirouette, Arabeske, Pirouette. Ruth ging auf die Spitze, streckte die Arme weit von sich, winkelte das Bein an, hob den Arm - sie drehte sich nach den Befehlen. Ihr Körper wie die Körper der anderen Tänzer - schweißbedeckt. Jeden Tag, sieben Tage die Woche gingen sie immer wieder und immer wieder die Grundschritte durch. Sie waren Profis. Das Training gehörte zum Leben eines Balletttänzers wie das tägliche Brot.
Jedes auch noch so kleine Detail war ihnen bereits in ganz jungen Jahren eingetrommelt worden.
Die Muskeln mussten ständig aufgewärmt werden. Der
Körper musste immer wieder die für ihn unnatürlichen Haltungen ausführen. Fünfte Position. Plie. Nur ein Tag Ruhepause würde genügen, um den Körper dagegen rebellieren zu lassen. Port de bras. Die Arme und Hände müssen wissen, was sie zu tun haben. Eine falsche Geste konnte den Ablauf stören, einen Ausdruck vernichten. Attitüde. Position halten.
Eins, zwei, drei, vier ...
"Danke."
Das Training für die Truppe war zu Ende. Ruth holte ihr Handtuch und fuhr sich damit übers Gesicht.
"Ruth."
Sie blickte hoch. Nick war ebenfalls durchgeschwitzt. Sein feuchtes Haar lockte sich um das Schweißband.
"Wir treffen uns unten. In fünf Minuten."
"In fünf Minuten?" fragte sie alarmiert. "Ist was passiert?"
"Passiert?" Er lächelte und beugte sich zu ihr herunter, um sie zu küssen. Dass sie nicht allein waren, beachtete er nicht. "Sehr viel ist passiert, meinst du nicht auch?"
Sie war ein bisschen durcheinander und sah ihn fragend an.
"Warum sollen wir uns treffen?"
"Du hast doch jetzt frei." Es war eine Feststellung, keine Frage, aber sie schüttelte noch immer den Kopf. "Und ich habe auch nichts auf meinem Terminkalender." Er lehnte sich dichter zu ihr herüber. "Wir werden viel Spaß haben. New York ist eine sehr unterhaltsame Stadt."
"So sagt man."
"Fünf Minuten", wiederholte er und drehte sich zum Gehen um.
Ruth kniff die Augen zusammen, als sie ihm hinterhersah.
"Fünfzehn."
"Zehn", konterte Nick.
Ruth holte ihre Tasche und stürmte zu den Duschkabinen.
Nach genau dreizehn Minuten kam Ruth mit dem Lift nach unten gefahren, frisch geduscht, in Jeans und einem losen malvenfarbigen Sweater gekleidet. Ihr Haar war offen, so frei wie ihre Stimmung. Nick
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