Tanz mit dem Engel
über den Schirm beugte. Solange er das tat, könnte er etwas leisten. Danach bliebe nur Müdigkeit übrig. Er trank seinen Tee. Der Lärm der Stadt murmelte dumpf jenseits des Innenhofs, den er durchs Fenster sehen konnte, aber es war ihm nun gelungen, die Stadt auf diese Wohnung in der Knaresborough Place zu reduzieren.
Er arbeitete mit einer Skizze mit drei Polen, die drei Gesichter darstellen sollten. Er schrieb die letzten Minuten im Leben der Jungen auf. Er dachte an Frankie und dann an Bölger, gleichsam als Parallele, und da läutete das Telefon, das hinter ihm auf der Arbeitsfläche lag, und es war Bölger.
»Bist du im Zimmer?« fragte Bölger.
»Ich bin in meiner Suite.«
»Bist du allein?«
»Ja.«
»Findest du dich in der Stadt zurecht?«
»Manche Örtlichkeiten gibt es noch.«
»Es ist lange her, daß man dort war.«
»War das Manchester, wo deine Tante wohnt?«
»Bolton«, antwortete Bölger, »mein Alter hat einen Teil des Namens von dort abgeleitet. Und du guckst dich wohl wie üblich nach Jazzplatten um, fahndest nach Raritäten?«
»Natürlich.«
»Gehst du in die richtigen Geschäfte?«
»Ray's«, sagte Winter, »und ein neuer kleiner Laden in Soho.«
»Zu meiner Zeit gab es was Interessantes im Süden«, sagte Bölger, »das hieß Red Records und lag in Brixton.«
»Brixton?«
»Ja. Red Records. Probier's dort.«
Winter wartete, daß Bölger noch mehr sagte, und speicherte währenddessen sein Dokument auf dem Schirm ab. Der leuchtete jetzt schärfer, seit die Dämmerung über den Innenhof fiel. Das Appartement wurde langsam dunkler. Es begann in der hinteren Ecke, wo Winter saß.
Er hörte, wie ein lautes Geräusch auf der Treppe vor der Tür vorbeipolterte, der Lärm von schweren Koffern, die hinaufgeschleppt wurden.
»Ich wollte dich eigentlich nicht stören, aber ich war mir nicht sicher, wann du zurückkommst«, fuhr Bölger fort.
»Bin ich mir auch nicht«, sagte Winter. »Noch ein paar Tage vielleicht.«
»Ich dachte, ich sollte kurz mit dir sprechen.«
»Bertil Ringmar ist für die Untersuchung verantwortlich, solange ich hier bin.«
»Ich kenne Ringmar nicht, und wenn du willst, kannst du dieses Gespräch hier wie von einem Kumpel betrachten.«
Winter wartete. Er reckte sich schräg nach hinten und schaltete die Beleuchtung über dem Herd ein. Er konnte den Abzug und die Neonröhre im Computerschirm gespiegelt sehen.
»Erik?«
»Ich bin noch dran.«
»Da war einer, der sich bei mir erkundigt hat.« »Ja?«
»Es ging um deinen jungen Mitarbeiter.« »Bergenhem?«
»Der, den du zu mir geschickt hast, damit er sich ein paar Tips abholt. Bergenhem, ja, genau der.«
»Erkundigungen bei dir?«
»Ein alter Bekannter. Er meinte, dein Kollege sei zu nah gekommen.«
»Zu nah woran?«
»An eine Tätigkeit, die sauber und legitim ausgeübt wird.«
»Es ist verdammt noch mal so gedacht, daß er nahe kommt. Dann macht er seine Arbeit.«
»Viele Gäste haben begonnen, Fragen zu stellen, könnte man sagen. Worum es geht. Weshalb die Polizei da ist.«
»Es geht um eine Morduntersuchung.«
»Ich weiß.«
»Bergenhem hatte doch wohl keine Uniform an?« »Soviel ich weiß, nein.«
»Vielleicht war er rechthaberisch«, sagte Winter, »aber ich scheiß' darauf, wenn nur etwas dabei herauskommt. Vielleicht bringt es was. Ich kann keine Sympathie für die Kunden eines Pornoklubs empfinden.«
»Es scheint, daß Bergenhem sich zu sehr interessiert«, sagte Bölger.
»Wie bitte?«
»Er hat sich einer von den Tussis zu sehr aufgedrängt.« »Was für Tussis?« »Den Stripperinnen.«
»Wer sagt das? Die Gäste oder wie man sie nennen soll? Oder dein Bekannter oder wie man ihn nennen soll?«
»Es ist bloß, was ich gehört habe.«
»Was willst du damit sagen?«
»Verdammt, Erik, du kennst mich. Du hast den Burschen zu mir geschickt. Ich werde unruhig.«
»Bergenhem weiß, was er tut. Trifft er eins von den Mädchen, dann verfolgt er einen Zweck.«
»So ist es gewöhnlich.«
»Davon spreche ich jetzt nicht.«
»Ich glaube, der Junge ist ein bißchen vom Weg abgekommen.«
»Er weiß, was er tut«, sagte Winter.
»Es ist nicht ungefährlich.«
»Sprechen wir nicht von einer Tätigkeit, die sauber und legitim ausgeübt wird?«
»Ja, schon.«
»Dann gibt es doch wohl nichts Gefährliches?«
»Du weißt, was ich meine. Ist etwas Wahres an deinem Verdacht, dann ist es gefährlich«, sagte Bölger.
Es soll gefährlich sein, dachte Winter, die Gefahr ist der eigentliche
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