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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Mal sind wir so gewappnet, dass Ihr Anwalt nichts ausrichten kann.«
    »Mein Anwalt?«, fragte ich erstaunt.
    Aber er war schon im Gebäude verschwunden. Ich winkte ein Taxi herbei und fuhr nach Hause. Dort ließ ich mir ein Bad ein und tauchte wohlig ins Wasser. Ich putzte mir die Zähne, rasierte mich, wusch mir das Gesicht. Ich stank nach Rauch. Was für ein entsetzlicher Ort! Ein Schlangenpfuhl.
    Nachdem ich mich frisch gemacht hatte, kochte ich mir Blumenkohl und trank dazu ein Bier. Dann legte ich Arthur Prysock & Count Basie Orchestra auf. Eine unverschämt gute Platte. Ich hatte sie vor sechzehn Jahren erstanden. 1967. In all den Jahren hatte ich sie oft gespielt, aber mich nie satt daran gehört.
    Danach legte ich mich hin. Nur für einen Moment, als wäre ich mal kurz um die Ecke gegangen und wieder zurückgekommen. Eine halbe Stunde. Als ich aufwachte, war es erst ein Uhr nachmittags. Ich packte mein Badezeug ein, stieg in den Subaru und fuhr zur Schwimmhalle in Sendagaya. Nachdem ich eine ganze Stunde ununterbrochen geschwommen war, fühlte ich mich wieder wie ein Mensch. Ich hatte Hunger.
    Ich rief Yuki an und erzählte ihr, dass ich endlich entlassen worden sei, was sie mit einem coolen »Na prima« zur Kenntnis nahm. Ich fragte sie, ob sie schon etwas zu Mittag gegessen habe. Nur zwei Windbeutel. An ihren Essgewohnheiten hatte sich also nichts geändert. Ich sagte ihr, ich würde sie jetzt abholen, um mit ihr essen zu gehen. Sie war einverstanden.
    Ich stieg in meinen Wagen und fuhr durch die Parkanlage des Meiji-Schreins über die Allee vor der Gemäldegalerie nach Aoyama-Itchôme und von dort in Richtung Nogi-Schrein. Mit jedem Tag wurde der Frühling deutlicher spürbar. In den zwei Tagen, die ich auf dem Polizeirevier in Akasaka zugebracht hatte, war der Wind milder geworden, die Blätter grüner und das Sonnenlicht üppiger und wärmer. Sogar der Lärm der Stadt klang jetzt so sanft wie das Flügelhorn von Art Farmer. Die Welt war schön, und ich war hungrig. Die beulenartige Starre hinter meinen Schläfen hatte sich ebenfalls aufgelöst.
    Als ich unten klingelte, kam Yuki sofort herunter. Heute trug sie ein David-Bowie-Sweatshirt und darüber einen weichen, braunen Lederblouson. Ihre Schultertasche aus Leinen war zugepflastert mit Ansteckern von Stray Cats, Steely Dan und Culture Club. Merkwürdige Zusammenstellung, aber meinetwegen.
    »Hattest du Spaß bei den Bullen?«, fragte sie.
    »Es war schrecklich«, sagte ich. »So schrecklich wie das Gewimmer von Boy George.«
    »Aha«, sagte sie ungerührt.
    »Das nächste Mal kriegst du von mir einen Elvis-Anstecker. Den kannst du gegen den da austauschen«, sagte ich und tippte auf den Culture-Club-Button.
    »Du spinnst wohl«, entgegnete sie. Was für einen reichhaltigen Wortschatz sie doch besaß.
    Ich fuhr erst mal in ein ordentliches Lokal, wo ich für sie ein Roastbeef-Vollkornsandwich, einen Salat und ein Glas frische Milch bestellte. Ich aß das Gleiche, trank aber einen Kaffee dazu. Die Sandwiches waren köstlich – zartes Fleisch mit echtem Meerrettich, eine wahre Gaumenfreude. So etwas nennt man Essen.
    »Und wohin fahren wir jetzt?«, fragte ich Yuki.
    »Nach Tsujidô«, sagte sie prompt.
    »Okay, fahren wir nach Tsujidô. Und weshalb, wenn ich fragen darf?«
    »Papa wohnt dort«, erwiderte Yuki. »Er will dich kennen lernen.«
    »Mich?«
    »Er ist nicht so mies, wie du denkst.«
    Ich schlürfte meinen zweiten Kaffee und schüttelte den Kopf. »Das habe ich auch nie behauptet. Aber wieso will er ausgerechnet mich kennen lernen? Hast du ihm von mir erzählt?«
    »Klar. Ich habe mit ihm telefoniert und ihm erzählt, dass du mich von Hokkaido nach Hause begleitet hast und jetzt in Schwierigkeiten wärst, weil die Bullen dich festhalten würden. Papa hat dann einen befreundeten Rechtsanwalt gebeten, sich bei der Polizei nach dir zu erkundigen. Er hat nämlich alle möglichen Beziehungen. Ein ausgesprochen praktischer Mensch.«
    »Sieh an«, sagte ich. »So war das also.«
    »War doch nützlich, oder?«
    »Sehr nützlich. In der Tat.«
    »Papa hat gesagt, die Polizei hätte kein Recht, dich dort festzuhalten. Du wärst frei zu gehen, wann immer es dir beliebt. Juristisch gesehen.«
    »Das war mir auch klar«, sagte ich.
    »Ach, und warum bist du dann dort geblieben? Warum hast nicht einfach gesagt, ich hau jetzt ab?«
    »Schwierige Frage«, erwiderte ich nach kurzem Nachdenken. »Wahrscheinlich habe ich mich selbst bestraft.«
    »Du hast doch

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