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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Mal verletzt. Ein einziges Mal. Als sie mit einem anderen Mann fortging. Das Eheleben – was für eine sonderbare Angelegenheit! Wie ein Strudel, um mit Dicks Worten zu sprechen.
    Ich saß eine Weile still neben Yuki, als sie mir plötzlich die Hand reichte. Ich griff zu.
    »Glaub nicht, dass ich dir verzeihe«, sagte sie. »Nur ein vorläufiger Waffenstillstand. Das war absolut daneben, was du getan hast. Du hast mich sehr verletzt. Ist dir das klar?«
    »Ja«, sagte ich.
    Dann bereiteten wir unser Abendessen zu, Pilaw mit Shrimps und grünen Bohnen, dazu einen Salat aus gekochten Eiern, Oliven und Tomaten. Zum Essen trank ich Wein, Yuki probierte auch ein Schlückchen.
    »Du erinnerst mich manchmal an meine Frau«, sagte ich.
    »Du meinst die, die die Nase von dir voll hatte und mit einem anderen Mann abgehauen ist?«
    »Genau die«, sagte ich.

30
    Hawaii.
    Die nächsten Tage verliefen harmonisch. Nicht gerade paradiesisch, aber immerhin herrschte Frieden.
    Junes Offerte lehnte ich höflich ab. Ich sei erkältet ( hust-hust) , hätte Fieber und vorläufig keine Lust darauf, erklärte ich ihr und drückte ihr wieder zehn Dollar für ein Taxi in die Hand. Sie holte einen Druckbleistift aus der Tasche und schrieb ihre Telefonnummer an die Tür. Ich solle mich unbedingt melden, sobald es mir besser ginge. Mit einem »Bye« ging sie hüftschwingend davon.
    Ich brachte Yuki noch einige Male zu ihrer Mutter. Während sich die beiden Frauen unterhielten, unternahm ich mit dem einarmigen Poeten Strandspaziergänge oder schwamm mit ihm im Pool. Dick war ein erstaunlich guter Schwimmer. Ich weiß nicht, was Yuki mit ihrer Mutter zu bereden hatte, denn sie erwähnte es nie, und ich fragte auch nicht nach.
    Einmal hörte ich Dick North ein Gedicht von Robert Frost rezitieren. Ohne dass ich den Inhalt genau verstand, gefiel mir die Art, wie er es vortrug. Rhythmus und Gefühl stimmten. Ich bekam auch einige Fotos von Ame zu sehen, die vom Entwickeln noch ganz feucht waren. Es waren Bilder von Einheimischen. Gewöhnliche Porträts, aber die Gesichter sprühten vor Lebendigkeit. Man spürte die unkomplizierte Anmut dieser südlichen Inselbewohner unmittelbar. Ihre Vulgarität, ihre erschreckende Schonungslosigkeit, ihre Lebensfreude. Kraftvolle und doch diskrete Fotos. Es stimmte, Ame hatte ein außergewöhnliches Talent. Ganz anders als Sie und ich, wie Dick North betont hatte. Sofort zu erkennen.
    Dick sorgte für Ame, so wie ich mich um Yuki kümmerte, aber er legte sich natürlich viel mehr ins Zeug. Er bewältigte den gesamten Haushalt, kochte, kaufte ein, trug Gedichte vor, erzählte Witze, drückte ihre Zigaretten aus, ermahnte sie zum Zähneputzen, füllte ihren Tampax-Vorrat auf (ich hatte ihn einmal zum Einkaufen begleitet), archivierte ihre Fotos und tippte Kataloglisten. Und das alles mit einem Arm. Ich konnte mir nicht vorstellen, wo da noch Zeit für sein eigenes kreatives Schaffen bleiben sollte. Armer Junge! Aber wie kam ich eigentlich dazu, ihn zu bedauern. Ich ließ mir von Yukis Vater für die Betreuung seines Sprösslings eine Ferienreise inklusive Callgirl finanzieren, machte also auch keine bessere Figur.
    Wenn wir nicht nach Makaha zu ihrer Mutter fuhren, vertrieben wir uns die Zeit mit Surfen oder Schwimmen, faulenzten am Strand, machten Besorgungen oder erkundeten die Insel mit einem Mietwagen. Abends gingen wir bummeln, ins Kino oder in die Hotelbars, um Piña Colada und Fruchtsäfte zu trinken. Ich hatte genug Zeit, um meine Kochkünste zu erproben. Wir erholten uns und wurden bis zu den Fingerspitzen braun. Yuki kaufte sich in der Hilton-Boutique einen neuen Bikini mit tropischem Blumenmuster, in dem sie wie ein einheimisches Mädchen aussah. Sie machte enorme Fortschritte im Surfen, passte auch kleine Wellen ab, die ich überhaupt nicht registrierte. Wir hatten uns ein paar Kassetten von den Stones besorgt und hörten sie immer wieder. Wenn ich etwas zu trinken holte, wurde Yuki ständig von irgendwelchen Typen angequatscht, aber sie verstand kein Wort Englisch und ignorierte sie einfach. Sobald sie mich sahen, entschuldigten sie sich (beziehungsweise fluchten) und trollten sich davon. Yuki war braun gebrannt, schön und strotzte vor Gesundheit. Erholsame Ferien. Sie genoss diese Tage.
    »Sag mal, stimmt es, dass Männer Frauen wirklich so sehr begehren?«, fragte mich Yuki eines Tages aus heiterem Himmel.
    »Das hängt natürlich vom jeweiligen Typ ab, aber grundsätzlich, das heißt,

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