Tanz mit dem Schafsmann
immer ohne zu murren erledigt. Nun wollte ich einmal nach meiner Fasson leben. Darauf hatte ich ein Recht.
Ich rief bei Makimura an. Freitag war am Apparat und verband mich sofort mit seinem Herrn und Meister. Ich erstattete kurz Bericht über den Hawaii-Aufenthalt. Yuki erhole sich dort wunderbar, und es sei nichts Problematisches vorgefallen.
»Fein«, sagte er. »Ich bin Ihnen sehr dankbar. Ich rufe Ame morgen an. Hat das Geld denn gereicht?«
»Aber ja«, sagte ich. »Es ist sogar noch etwas übrig.«
»Brauchen Sie es auf. Es gehört Ihnen.«
»Ich würde Sie gern noch etwas fragen«, sagte ich. »Die Sache mit der Frau.«
»Ach so, ja, ja«, sagte er lässig.
»Wie haben Sie das eigentlich arrangiert?«
»Über einen Callgirl-Club. Das war doch wohl offensichtlich, oder? Sie haben doch hoffentlich nicht die ganze Nacht über nur Karten gespielt?«
»Nein, das meine ich nicht. Wie können Sie eine Frau in Honolulu von Tokyo aus bestellen? Ich wüsste gern, wie das funktioniert, aus purer Neugierde.«
Makimura antwortete nicht gleich. Vermutlich dachte er über den Grund meiner Neugierde nach. »Sie müssen sich das wie einen internationalen Paketdienst vorstellen. Ich rufe die Organisation in Tokyo an und sage denen, sie sollen eine Frau dann und dann zu Ihnen schicken. Hier in Tokyo setzen sie sich dann mit dem Vertragspartner in Honolulu in Verbindung, woraufhin die ein Mädchen schicken. Ich zahle in Tokyo. Nach Abzug einer Provision wird das restliche Geld nach Honolulu überwiesen, wo man ebenfalls eine Vermittlungsgebühr kassiert. Was übrig bleibt, bekommt das Mädchen. Ganz einfach. Es gibt eben alle möglichen Systeme.«
»Scheint so«, sagte ich. Internationaler Paketdienst.
»Ja, es ist zwar kostspielig, aber bequem. So kann man überall auf der Welt mit tollen Frauen Sex haben. Das lässt sich von Tokyo aus vorbestellen. Keine lästige Sucherei, wenn man sich anderswo aufhält, kein Risiko. Keine unfreundlichen Auftritte von Zuhältern. Und als Spesen absetzbar.«
»Die Nummer dieser Organisation können Sie mir wohl nicht verraten?«
»Nein, leider unmöglich. Das ist alles absolut vertraulich. Es sind nur Mitglieder zugelassen, und für eine Mitgliedschaft existieren äußerst strenge Aufnahmekriterien. Geld, gesellschaftliche Stellung, Vertrauenswürdigkeit. Sie kommen da überhaupt nicht in Frage, schlagen Sie sich das aus dem Kopf. Ich verstoße bereits gegen die Vorschriften, indem ich Ihnen erkläre, wie das System funktioniert. Damit erweise ich Ihnen schon eine Gunst.«
Ich dankte ihm für seine gnädige Geste.
»Die Frau war doch bestimmt toll, oder?«
»Ja, doch, kann man sagen.«
»Freut mich zu hören. Ich habe sie nämlich ausdrücklich darum gebeten«, erklärte Makimura.
»Wie hieß sie denn?«
»June«, sagte ich. »Wie der Monat.«
»June, wie der Monat«, wiederholte er. »Weiß?«
»Weiß?«
»Na, eine Weiße.«
»Nein, aus Südostasien, vermute ich.«
»Ich werde sie mal ausprobieren, wenn ich das nächste Mal in Honolulu bin«, sagte er. Da es sonst nichts mehr zu bereden gab, dankte ich ihm und legte auf.
Als Nächstes rief ich Gotanda an. Wie üblich meldete sich nur sein Anrufbeantworter. Ich hinterließ ihm die Nachricht, dass ich wieder in Tokyo sei und er mich zurückrufen solle. Inzwischen neigte sich der Tag bereits dem Ende zu, und ich sprang in meinen Subaru und fuhr noch schnell zum Aoyama-Boulevard, um einzukaufen. Zuerst besorgte ich wie üblich den dressierten Salat bei Kinokunya. Vielleicht besitzt der Delikatessen-Supermarkt tief in den Bergen Nagoyas oder sonstwo eigene Farmen für dressiertes Gemüse. Riesige Areale, vermutlich mit Stacheldraht umzäunt wie das Gefangenenlager in dem Film Gesprengte Fesseln, Wachtürme und mit Maschinenpistolen bewaffnete Aufseher würden sich hier gut machen. An diesem Ort werden Salatköpfe und Selleriestauden einer unglaublichen Dressur unterzogen, bis sie unsere Vorstellung von Gemüse weit in den Schatten stellen. Während ich meinen Phantasien nachhing, packte ich außerdem Fleisch, Fisch, Tofu und Pickles in meinen Einkaufswagen.
Es gab keine Nachricht von Gotanda, als ich nach Hause zurückkehrte.
Am nächsten Morgen, nach einem kurzen Frühstück bei Dunkin’ Donuts, ging ich in die Bibliothek und durchforstete die Tageszeitungen der letzten zwei Wochen. Natürlich wollte ich wissen, ob die Ermittlungen zu Mays Tod entscheidend vorangekommen waren. Ich schaute die Ausgaben von Asahia,
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