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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Ausfahrt Setagaya und kurvte durch den Ort, bis ich mit Hilfe des Stadtplans Dick Norths Haus fand. Es war ein normales einstöckiges Reihenhaus. Alles wirkte so klein, die Tür, die Fenster, der Briefkasten, die Eingangsbeleuchtung – wie ein Puppenhaus. Davor stand eine Hundehütte, vor der eine angekettete Promenadenmischung unsicher hin und her lief. Im Haus brannte Licht, und man hörte Stimmen. Im Eingangsbereich stand ein halbes Dutzend Paar schwarzer Schuhe, ordentlich in Reih und Glied. Daneben benutztes Geschirr vom Sushi-Lieferservice. Die Angehörigen hielten Totenwache vor Dicks aufgebahrtem Leichnam. So hatte er am Ende doch noch einen Ort gefunden, an den er heimkehren konnte.
    Ich zog den Koffer aus dem Wagen und hievte ihn zum Eingang. Nachdem ich geklingelt hatte, kam ein Mann mittleren Alters zur Tür. Ich erklärte, ich sei beauftragt worden, Dicks Sachen hier abzuliefern. Ich setzte eine Miene auf, die ihm zeigte, dass ich sonst nichts weiter wüsste. Er blickte auf das Kofferschild und war sofort im Bilde.
    »Ich bin Ihnen zu großem Dank verpflichtet«, sagte der Mann ausgesucht höflich.
    Irgendwie unbefriedigt kehrte ich nach Shibuya in mein Apartment zurück.
    Bleiben noch drei, dachte ich.
    Was hatte Dicks Tod für einen Sinn? grübelte ich bei einem Glas Whiskey. Sein abruptes Ende hatte vermutlich gar nichts zu bedeuten. Dieses Teilchen passte nicht in die Lücken des Puzzles, wie man es auch drehte und wendete. Vielleicht gehörte es in eine ganz andere Kategorie. Aber selbst wenn sein Tod als solcher keinen tieferen Sinn hatte, veränderte er doch entscheidend die Situation. Und zwar nicht zum Besseren, sagte mir meine Intuition. Dick North war ein gutmütiger Mensch gewesen. Auf seine Weise hatte er für Zusammenhalt gesorgt, doch mit seinem Tod war das vorbei. Die Dinge würden sich ändern, die Lage würde sich verschlimmern.
    Inwiefern?
    Zum Beispiel missfiel mir Yukis apathisches Gesicht, wenn Ame bei ihr war. Ebenso wenig mochte ich Ames stumpfen, gleichgültigen Blick, wenn sie mit ihrer Tochter zusammen war. Es lag etwas Unheilvolles darin. Ich mochte Yuki sehr. Sie war ein kluges Kind. Manchmal ein bisschen stur, aber sie hatte einen weichen Kern unter dieser harten Schale. Auch Ame war mir sympathisch. Wenn ich mit ihr allein sprach, entpuppte sie sich als bezaubernde Frau. Sie sprühte vor Kreativität, wirkte aber auch schutzlos. In mancher Hinsicht war sie kindlicher als ihre Tochter. Aber sobald sie zusammentrafen, raubten sie mir Energie. Allmählich verstand ich Makimuras Bemerkung, die beiden Frauen hätten ihn ausgelaugt.
    Ja, von diesem Mutter-Tochter-Gespann ging anscheinend eine ungebrochene Macht aus.
    Zuvor hatte Dick die Pufferrolle zwischen den beiden übernommen. Aber nun war er tot. Jetzt war ich der Einzige, der noch mit den beiden konfrontiert war.
    Das war eine meiner düsteren Vorahnungen.
    Ich telefonierte ein paar Mal mit Yumiyoshi und traf mich hin und wieder mit Gotanda.
    Yumiyoshi gab sich reserviert wie immer, aber ich meinte doch, eine leise Freude aus ihrer Stimme herauszuhören, wenn ich sie anrief. Wenigstens schien sie meine Anrufe nicht als Belästigung zu empfinden. Sie ging weiter zwei Mal in der Woche zur Schwimmschule, und wenn sie frei hatte, verabredete sie sich hin und wieder mit einem Freund. Am letzten Sonntag habe er mit ihr einen Ausflug zum Soundso-See gemacht, erzählte sie.
    »Aber ich habe nichts mit ihm. Er ist nur ein Freund, ein alter Klassenkamerad. Er arbeitet jetzt auch in Sapporo. Das ist alles.«
    Das störe mich nicht, erklärte ich. Und das stimmte auch. Das Einzige, was mich beunruhigte, war die Schwimmschule. Es ging mich nichts an, ob sie mit einem Freund zu einem See fuhr oder auf Berge kletterte.
    »Ich wollte es dir trotzdem sagen«, erwiderte sie. »Heimlichtuerei kann ich nicht ausstehen.«
    »Aber so etwas macht mir überhaupt nichts aus«, wiederholte ich. »Mir ist nur wichtig, dass ich dich wiedersehe, wenn ich nach Sapporo komme. Du kannst dich treffen, mit wem du willst. Das hat mit uns beiden nichts zu tun. Ich denke ständig an dich. Wie gesagt, es gibt zwischen uns etwas Gemeinsames.«
    »Und das wäre?«, fragte sie.
    »Zum Beispiel das Hotel«, sagte ich. »Dort ist dein Platz, und ich gehöre auch dorthin. Für uns beide ist das ein ganz besonderer Ort.«
    »Hm«, machte sie, weder zustimmend noch ablehnend. Ein ganz neutrales Hm .
    »Seit wir damals auseinander gegangen sind, bin ich

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