Tanz mit dem Schafsmann
verschiedenen Leuten begegnet, und es ist allerlei geschehen. Aber im Grunde warst du immer in meinen Gedanken. Ich möchte dich so gern wiedersehen, aber es geht noch nicht. Die Angelegenheit ist noch nicht geklärt.«
Das kam zwar von Herzen, klang aber ziemlich unsinnig. Typisch für mich.
Ein mittellanges Schweigen folgte. Ein indifferentes bis leicht positiv getöntes Schweigen. Zugegeben, Schweigen bleibt Schweigen. Vielleicht lege ich immer alles zu sehr zu meinen Gunsten aus.
»Kommt denn das Projekt wenigstens voran?«, erkundigte sie sich.
»Ich denke doch. Ich hoffe es zumindest«, erwiderte ich.
»Es wäre schön, wenn du es bis zum nächsten Frühjahr erledigt hättest.«
»Finde ich auch«, sagte ich.
Gotanda sah ziemlich erschöpft aus. Seine beruflichen Termine ließen ihm keine Pause. Krampfhaft versuchte er, die Schäferstündchen mit seiner Exfrau in seinen engen Zeitplan zu pressen. Und noch dazu heimlich.
»Ich weiß nur eins mit Sicherheit, dass es so nicht ewig weitergehen kann«, sagte Gotanda mit einem verzweifelten Seufzer. »Ich bin nicht ausgekocht genug für ein solches Dasein. Eigentlich bin ich ein sehr häuslicher Mensch. Dieses tägliche Gehetze macht mich ganz kaputt. Meine Nerven sind überstrapaziert.« Er breitete die Arme aus, als würde er ein Gummiband auseinander zerren.
»Ihr beide solltet euch Ferien auf Hawaii gönnen«, sagte ich.
»Schön wär’s«, erwiderte er und lächelte kläglich. »Das wäre einfach traumhaft. Ein paar Tage am Strand mit ihr faulenzen, über nichts nachdenken müssen. Eine knappe Woche würde schon genügen. Nein, ich will nicht unverschämt sein. Drei Tage würden es auch tun. Da könnte ich mich weitgehend erholen.«
An jenem Abend war ich zu ihm in sein Domizil in Azabu gekommen. Wir saßen auf dem schicken Sofa, jeder einen Drink in der Hand, und schauten uns einen Zusammenschnitt seiner Werbespot-Auftritte auf Video an. Für CM – ein Magenmittel. Ich sah die Werbung zum ersten Mal.
Vier Aufzüge in einem Bürogebäude. Man sieht vier Kabinen ohne Türen und Trennwände nebeneinander hoch- und runtersausen. Gotanda im dunklen Anzug, Aktentasche in der Hand, steigt ein, gehobener Angestellter von Kopf bis Fuß. Er springt zwischen den Kabinen hin und her. Verhandelt hier mit seinem Boss, verabredet sich da mit einer attraktiven Sekretärin. Zwischendurch erledigt er blitzschnell eine Arbeit, die er in einer anderen Kabine liegen gelassen hat. Unterdessen klingelt in zwei weiteren Fahrstühlen das Telefon. Dieses rasante Hin und Her ist gar nicht so leicht zu bewerkstelligen, aber Gotanda lässt sich partout nicht aus der Fassung bringen, sondern springt mit ungebrochen cooler Miene geschäftig von einem Lift zum anderen.
Eine Off-Stimme kommentiert: Ein anstrengender Alltag. Stress staut sich im Magen. Für alle, die viel um die Ohren haben – ein sanftes Magenmittel. …
Ich lachte. »Klasse, der Spot.«
»Finde ich auch. CM ist eigentlich der reinste Mist. Absoluter Quatsch, das Präparat. Aber der Spot ist gut gemacht, besser als die meisten Filme, in denen ich mitgespielt habe. Traurig, aber wahr. Hat natürlich eine Stange Geld gekostet – die Sets und die Spezialeffekte. Diese Werbeleute haben keine Skrupel, für solche Details Geld springen zu lassen. Und die Inszenierung ist gelungen.«
»Spiegelt gewissermaßen deinen momentanen Zustand wider.«
»Du sagst es.« Gotanda lachte. »In der Tat, wie im echten Leben. Ununterbrochen hetze ich umher. Das geht wirklich an die Substanz. Mein Magen steht unter Stress, aber das Mittel hilft nicht. Sie haben mir ein Dutzend Packungen davon zum Ausprobieren gegeben. Absolut keine Wirkung.«
»Aber deine Motorik ist gut«, sagte ich, während ich die Rücklauftaste drückte, um mir den Spot noch einmal anzuschauen. »Du bist der reinste Buster Keaton. Vielleicht bist du ja ein verkappter Komiker.«
Ein Lächeln umspielte seinen Mund. Er nickte. »Ja, ich mag Komik. Das würde mich wirklich interessieren. Eine weitere Möglichkeit. Ich schätze, es hat Pfiff, wenn ein so bürgerlicher Charakter wie ich das Komische an so einer Routine zeigen kann. Jemand, der versucht, in einer komplizierten, überdrehten Welt ein normales Leben zu führen – das ist komisch. Verstehst du?«
»Klar«, sagte ich.
»Man braucht gar nicht betont komisch zu sein, sondern sich nur ganz normal zu benehmen. Das wirkt schon komisch. So was zu spielen reizt mich. In Japan gibt es heutzutage diesen
Weitere Kostenlose Bücher