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Tanz mit dem Schafsmann

Tanz mit dem Schafsmann

Titel: Tanz mit dem Schafsmann Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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naturwissenschaftlichen Experimenten saßen wir nebeneinander am selben Labortisch. So kamen wir manchmal ins Gespräch. Er war auch damals schon irre sympathisch, genau wie in seinen Filmrollen. Von Mädchen umlagert, die völlig hingerissen von ihm waren. Wenn er mit ihnen sprach, himmelten sie ihn mit verklärten Blicken an. Auch im Physikunterricht starrten sie andauernd zu ihm herüber. Fragten ihn, wenn sie etwas nicht kapierten. Wenn er mit anmutigen Bewegungen den Bunsenbrenner anzündete, war es wie bei der Eröffnungszeremonie der Olympischen Spiele. Von meiner Existenz nahm niemand Notiz.
    Seine schulischen Leistungen waren ebenfalls hervorragend. Er war immer Klassenbester oder wenigstens Zweitbester. Nett, herzlich, überhaupt nicht eingebildet. Egal, was für Klamotten er trug, er sah stets aus wie aus dem Ei gepellt. Smart und wohlerzogen. Sogar beim Pissen machte er eine elegante Figur. Was man von anderen Männern kaum behaupten kann. Selbstverständlich war er eine Sportskanone und Klassensprecher. Angeblich ging er mit dem beliebtesten Mädchen aus der Klasse, aber keiner wusste, ob es stimmte. Sogar die Lehrer lagen ihm zu Füßen, und am Elterntag gerieten die Mütter ins Schwärmen. So könnte man ihn charakterisieren. Trotzdem wusste ich nie, was eigentlich in ihm vorging.
    Sein Leben war wie seine Filmrollen.
    Warum sollte ich also Zeit und Geld verplempern, um mir solch einen Schund anzuschauen? Ich warf die Zeitung in den Papierkorb und stapfte durch den Schnee zum Hotel zurück. In der Halle warf ich einen Blick zur Rezeption, doch meine Freundin war nicht da. Vielleicht machte sie Pause. Ich ging zu den Videospielen hinüber und spielte einige Runden Pacman und Galaxy. Gute Systematik, aber auch nervenaufreibend. Außerdem machen sie einen richtig aggressiv. Na ja, immerhin ein Zeitvertreib.
    Anschließend ging ich auf mein Zimmer und las.
    Ein belangloser Tag. Als ich vom Lesen genug hatte, sah ich aus dem Fenster und beobachtete das Schneetreiben. Es schneite schon den ganzen Tag. Sodass man sich wunderte, was für Schneemassen vom Himmel herunterkamen. Gegen zwölf ging ich zum Lunch in die Cafeteria. Dann kehrte ich wieder auf mein Zimmer zurück, las weiter und betrachtete den Schnee. Doch der Tag war noch nicht verloren. Gegen vier Uhr, als ich lesend auf dem Bett lag, klopfte es an die Tür. Es war sie. Meine Freundin mit der Brille, im hellblauen Blazer. Sie schlüpfte wie ein flacher Schatten durch den engen Spalt der geöffneten Tür und schloss sie hastig.
    »Wenn man mich hier erwischt, bin ich gefeuert. Die sind erbarmungslos streng hier«, sagte sie.
    Nachdem sie sich kurz im Zimmer umgesehen hatte, setzte sie sich aufs Sofa. Sie strich ihren Rock glatt und stieß einen Seufzer aus. »Ich habe gerade Pause.«
    »Ich habe ein Bier, möchtest du auch etwas trinken?«, fragte ich.
    »Nein, ich kann nur kurz bleiben. Du hast dich anscheinend den ganzen Tag im Zimmer verkrochen. Was treibst du denn so?«
    »Ach, nichts weiter. Bloß die Zeit totschlagen. Ich lese und schaue zu, wie es schneit«, erwiderte ich und holte ein neues Bier aus dem Kühlschrank, das ich in ein Glas goss.
    »Was liest du denn?«
    »Ein Buch über den Spanischen Bürgerkrieg. Die ganze Geschichte, von den Anfängen bis zum Ende. Sehr aufschlussreich.« Der spanische Bürgerkrieg war in der Tat reich an historischen Anspielungen. Früher gab es noch solche Kriege.
    »Bitte versteh’s nicht falsch«, sagte sie.
    »Was denn?«, fragte ich. »Dass du zu mir raufgekommen bist?«
    »Ja.«
    Ich nahm mein Glas und setzte mich auf die Bettkante. »Ich verstehe es nicht falsch. Ich bin zwar ein wenig überrascht, aber es freut mich, dass du hier bist. Gesellschaft tut gut, wenn man sich langweilt.«
    Sie stand auf und zog mitten im Zimmer ihren Blazer aus, den sie sorgfältig über die Stuhllehne hängte, damit er nicht knitterte. Dann kam sie zu mir und setzte sich neben mich, die Beine schicklich geschlossen. Ohne ihren Blazer wirkte sie wehrlos und verletzlich. Ich legte den Arm um sie, und sie schmiegte den Kopf an meine Schulter. Sie roch sehr angenehm. Ihre weiße Bluse war tadellos gebügelt. Etwa fünf Minuten saßen wir reglos so da. Ich mit dem Arm um sie, sie ihren Kopf an meine Schulter geschmiegt, mit geschlossenen Augen und so leise atmend, als schliefe sie. Draußen schneite es noch immer. Der Schnee schien den Lärm der Stadt zu verschlucken. Es war kaum ein Geräusch zu hören.
    Sie ist erschöpft

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