Tanz mit dem Schafsmann
wollte ich antworten, ließ es aber bleiben. Sie würden ohnehin nicht begreifen, dass man ein vorübergehendes Blackout haben kann. Dächten höchstens, ich hätte eine Schraube locker.
»Wir können warten«, sagte Fischer. »Nehmen Sie sich ruhig Zeit zum Nachdenken.« Er zog eine Packung Seven Stars aus der Jackentasche und zündete sich eine Zigarette mit einem Bic-Feuerzeug an. »Rauchen Sie?«
»Nein danke«, lehnte ich ab. Laut Brutus, einem Lifestyle-Magazin, rauchte der fortgeschrittene Städter nicht. Doch das schien die beiden nicht zu kümmern. Sie qualmten mit sichtlichem Genuss. Fischer seine Seven Stars und Schöngeist Short Hope. Beide Kettenraucher. Und offenbar keine Brutus -Leser. Null Trendbewusstsein.
»Wir geben Ihnen noch fünf Minuten«, sagte Schöngeist, ausdruckslos wie immer. »In der Zeit wird Ihnen ja wohl was einfallen. Wo Sie gestern Nacht waren, was Sie gemacht haben.«
»Wir haben es mit einem Intellektuellen zu tun, musst du wissen«, sagte Fischer zu Schöngeist. »Den Unterlagen zufolge ist er nämlich nicht das erste Mal vorgeladen. Seine Fingerabdrücke sind registriert. Was haben wir denn hier? Studentenbewegung. Störung von Amtshandlungen. Eine Anklageschrift. Das dürfte also hier nichts Neues für ihn sein. Hartgesottenes Bürschchen, würde ich sagen. Scheint die Polizei nicht besonders leiden zu können. Mit dem Gesetz kennt er sich auch gut aus. Besonders mit der Verfassung und seinen Rechten als Staatsbürger. Wahrscheinlich wird er gleich nach seinem Anwalt verlangen.«
»Aber er ist doch aus freien Stücken mitgekommen, und wir haben ihm nur eine ganz gewöhnliche Frage gestellt.« Schöngeist spielte den Erstaunten. »Niemand hat von Untersuchungshaft gesprochen. Es gibt also gar keinen Grund, einen Anwalt zu fordern. Wie kann man nur auf so eine verwegene Idee kommen? Ist mir unbegreiflich.«
»Nun, wenn du mich fragst, ist das mehr als ein harmloser Fall von Polizeiphobie. Der Gute scheint auf alles, was mit dieser Institution in Verbindung steht, allergisch zu reagieren. Vom Streifenwagen bis zum Verkehrspolizisten. Darum wird er sich mit Händen und Füßen dagegen sträuben, mit uns zu kooperieren«, sagte Fischer.
»Mach dir doch keinen Kopf. Sobald er uns eine Antwort gegeben hat, kann er wieder nach Hause. Wenn er ein Mensch mit praktischem Verstand ist, wird er uns wohl entgegenkommen. Außerdem bemüht sich kein Anwalt nur deswegen hierher, weil jemand gefragt wurde, was er gestern Nacht gemacht habe. Die haben ja wohl wichtigere Dinge zu tun. Einem gebildeten Menschen wie ihm müsste das doch eigentlich einleuchten.«
»Na«, sagte Fischer, »wollen wir es hoffen. Dann würde er uns allen viel Zeit ersparen. Wir haben zu tun, und er bestimmt auch. Verzögerungen vergeuden nur unsere kostbare Zeit und sind ermüdend. Ziemlich ermüdend sogar.«
Diese Kabarettnummer dauerte bereits fünf Minuten.
»Nun, wie sieht’s aus?«, wandte sich Fischer an mich. »Haben Sie sich inzwischen erinnern können?«
Natürlich nicht, aber ich verspürte auch gar keine Lust dazu. Irgendwann würde es mir wahrscheinlich einfallen, aber im Moment hatte ich ein Blackout. »Zuerst würde ich gern mal wissen, worum es überhaupt geht«, sagte ich. »Wenn Sie mir das nicht verraten, werde ich auch nichts preisgeben. Solange ich nicht im Bilde bin, möchte ich nichts sagen, was zu meinen Ungunsten ausgelegt werden könnte. Zuerst sollte man eigentlich die Umstände erfahren, bevor einem Fragen gestellt werden. Das gebietet schon die Höflichkeit. Sie verstoßen da für mein Empfinden gegen die guten Sitten.«
»Er möchte nichts zu seinen Ungunsten sagen«, wiederholte Schöngeist, als wolle er den Satz prüfen. »Und wir verstoßen gegen die guten Sitten.«
»Ich hab’ dir doch gesagt, er ist ein Intellektueller«, sagte Fischer daraufhin. »Verschrobene Weltanschauung. Er mag keine Polizei. Abonniert Asahi Shimbun und liest Sekai .«
»Ich abonniere keine Tageszeitung und lese auch nicht Sekai«, berichtigte ich ihn. »Und solange Sie mir nicht erklären, weshalb Sie mich hierhergeschleppt haben, bin ich nicht gewillt zu reden. Beleidigen Sie mich nur, wenn Ihnen danach ist. Ich habe ohnehin nichts zu tun. Zeit ist also nicht mein Problem.«
Die beiden warfen sich einen kurzen Blick zu.
»Das heißt also, Sie würden unsere Frage beantworten, wenn wir Ihnen die Situation erläutern?«
»Vermutlich«, sagte ich.
Schöngeist hielt die Arme verschränkt und
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