Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz mit dem Teufel

Tanz mit dem Teufel

Titel: Tanz mit dem Teufel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Daniel Depp
Vom Netzwerk:
Schaf eine Seele hat?«
    »Nicht mehr«, sagte Savan. »Es ist tot.«
    »Herzlichen Dank, Klugscheißer. Nein, das Schaf hat keine Seele. Das Schaf hatte nie eine Seele. Ihr habt keine Seele. Ich habe keine Seele. Ihr seid in die Schule gegangen und in die Kirche, da haben sie euch erzählt, dass alles eine Seele hat. Das war gelogen. Nichts hat eine Seele. Alles ist bloß Fleisch. Und sonst gar nichts.«
    Atom sah Araz an.
    »Du bist doch hier der Gehirnakrobat. Du denkst jetzt gerade an Gott, was?«
    »Nein«, antwortete Araz.
    »Lüg mich nicht an, du kleiner Drecksack. Ich kann deine Gedanken lesen. Du denkst an Gott. Du denkst, Gott hätte allen Wesen eine Seele gegeben. Du denkst, Onkel Atom hat unrecht, und glaubst, dass überall Seelen rumflattern. Aber ich sage dir, du bist auf dem Holzweg. Frag mich mal, ob ich an Gott glaube. LOS, FRAG MICH !«
    »Glaubst du an Gott?«, sagte Araz.
    »Natürlich glaube ich an Gott. Ich weiß, dass es ihn gibt, denn ich habe ihn gesehen. Ich habe ihm genau in die Augen gesehen. Und soll ich dir was sagen? Gott kümmert sich einen Dreck um uns. Gott scheißt auf dich und auf mich und die Schmetterlinge und die süßen Kätzchen. Und falls Gott uns tatsächlich mal eine Seele gegeben hat, war ich an dem Tag dabei, als er sie uns wieder abgenommen hat.«
    Atom fing an, seine Strickjacke aufzuknöpfen.
    »Ich war noch ein Junge«, sagte Atom. »Die Sowjets wollten unser Land. Aber wir Armenier, wir sind ein tapferes Volk. Nicht mal die Kümmeltürken konnten uns ausrotten. Wir haben uns gewehrt bis zum Letzten. Wir sind zäh.«
    Atom zog die Strickjacke aus. Er knöpfte sein Hemd auf.
    Die Chipmunks sahen sich an. Und dann ging ihnen im selben Moment ein Licht auf: Sie würden ihn zu sehen kriegen. Er würde ihn ihnen zeigen. Seinen Rücken. Die Familienlegende.
    Onkel Atoms Rücken.
    »Die Sowjets, die hatten Panzer, Maschinengewehre, Flugzeuge. Wir hatten alte Flinten und Munition mit Grünspan. Manchmal mussten wir sogar mit dem Säbel kämpfen. Könnt ihr euch das vorstellen? Mit dem Säbel!«
    Atom zog sein Hemd aus.
    »Wir haben Widerstand geleistet. Wir konnten nicht zulassen, dass sie einfach so in unser Land spaziert kommen und es uns wegnehmen. Wir sind ein stolzes Volk, wir sind tapfer. Wir haben uns gewehrt. Wir wussten, dass wir nicht gewinnen konnten, aber wir haben uns gewehrt. Meine Brüder haben gegen sie gekämpft. Ich habe gegen sie gekämpft.«
    Er drückte Omar das Hemd und die Strickjacke in die Hand. Fasste nach dem Saum seines Unterhemds.
    »Die Tschetschenen waren am schlimmsten. Wie die Tiere, wie Bestien. Meine Brüder und ich wurden losgeschickt, Gewehre kaufen. Wir packten die Gewehre auf unsere Esel und machten uns auf den Rückweg über die Berge. Wir waren dumm, wir waren halbe Kinder. Für uns war das alles ein großes Abenteuer. Wir kämpften für die Freiheit unseres Volkes. Fünf Kilometer weit sind wir gekommen, dann haben sie uns abgepasst. Sie wussten von Anfang an, dass wir kommen. Sie hatten es bloß nicht eilig. Derselbe Mann, der uns die Gewehre verkauft hatte, verkaufte uns an die Tschetschenen. Er war ein guter Geschäftsmann.«
    Atom zog sich das Unterhemd über den Kopf.
    Er drehte sich um.
    Schulterbreit, vom Nacken bis zur Hüfte, war sein Rücken eine einzige Narbe. Unwillkürlich musste Araz an den blubbernden Käse auf einer Lasagne denken.
    »Sie haben ihnen die Köpfe abgeschlagen, meinen Brüdern. Ruck, zuck, einfach so. Sie haben mich festgehalten, und ich musste zusehen. Ich hab nur noch darauf gewartet, dass ich als Nächster drankomme. Dann sagte einer von den Tschetschenen, er müsste mal scheißen, aber er hätte kein Klopapier. Die Russen gäben ihnen nie genug Klopapier, hat er gesagt, sie müssten sich den Arsch immer mit Gras und Blättern abwischen. Also drückten sie mich zu Boden und rissen mir das Hemd runter, und einer von ihnen hat mir mit dem Messer Streifen um Streifen die Haut vom Rücken geschält. Das hat ziemlich gedauert. Ich hab geschrien, und wenn ich ohnmächtig geworden bin, haben sie mich geschlagen, bis ich wieder zu mir gekommen bin. Und dann haben sie weitergemacht. Sie haben mir vier lange Hautstreifen gezeigt. Ich war jung. Die Haut war weich, haarlos. Sie haben gesagt, jetzt hätten sie endlich was, womit sie sich den Arsch abwischen können.«
    Nachdem er ihnen seinen Rücken gezeigt hatte, zog Atom das Unterhemd wieder an. Lektion beendet.
    »Hinterher haben sie mich einfach liegen

Weitere Kostenlose Bücher