Tanz mit dem Teufel
Für den Anfang wäre das nicht das Schlechteste. Du schmeißt ihnen den Krempel vor die Füße. Du sagst ihnen, dass du nicht der Richtige für den Job bist. Walter soll sich jemand anderen suchen. Oder, noch besser, aus dem Suff auftauchen und seine Drecksarbeit zur Abwechslung mal alleine machen.«
Spandau schwieg.
»Danke«, sagte sie. »Danke, dass du mir die endlose, treudoofe Predigt ersparst, warum man dich zum Ritter schlagen müsste. Uns Normalsterblichen, die wir in der realen Welt zurechtkommen müssen, bleibt natürlich gar nichts anderes übrig, als zähneknirschend hin und wieder klein beizugeben. Von uns niederen Geschöpfen hat kaum einer die Chance, auf der Suche nach dem Heiligen Gral sein Leben gegen die Wand zu fahren.«
»Ich habe dir nie etwas vorgemacht. Du wusstest, worauf du dich einlässt.«
»Nicht zu fassen«, sagte sie. »Willst du wissen, warum ich mich in dich verliebt habe? Weil du keinen solchen Machoscheiß von dir gegeben hast. Was ist bloß über dich gekommen?«
Sie ging. Spandau trank aus und rauchte eine Zigarette, trank noch ein Glas, stieg in seinen Wagen. Er fuhr den ganzen Sunset Boulevard hinunter, bis ans Meer. In Malibu hielt er am Straßenrand an, setzte sich auf die Motorhaube und starrte rauchend aufs Wasser hinaus. Dann rief er Dee an.
»Hallo, David.« Sie klang so traurig und so weit entfernt, dass er im ersten Moment kein Wort über die Lippen brachte.
»David?«
»Ich hab deine Nachricht bekommen. Ist etwas passiert?«
»Ja«, sagte sie. »Charlie ist weg. Seit drei Tagen schon.«
»Er hat sich nicht gemeldet? Und du weißt nicht, wo er steckt?«
»Er ist einfach verschwunden. Seit drei Tagen habe ich nichts mehr von ihm gehört.«
»Hattet ihr einen Ehekrach?«
»Nein«, antwortete sie. »Ich kann nicht zur Polizei gehen, David.«
»Er taucht schon wieder auf. Er ist … wie alt? Fünfundvierzig? Vielleicht hat er eine Midlife-Crisis.«
Sie schwieg. Er wusste, dass sie weinte.
»Ein ganzes Jahr«, sagte er. »Seit einem ganzen Jahr hab ich kein Wort mehr von dir gehört. Und jetzt rufst du mich an, weil dir der Typ, wegen dem du mich verlassen hast, von der Fahne gegangen ist? Du wirst verstehen, dass sich mein Mitleid einigermaßen in Grenzen hält.«
»Du bist der Einzige, an den ich mich wenden kann, David. Er ist bis über beide Ohren verschuldet. Irgendwelche Männer haben nach ihm gesucht. Ich weiß einfach nicht mehr weiter.«
»Was für Schulden sind das?«
»Anscheinend Spielschulden. Es geht um sehr viel Geld. Mehr, als wir besitzen. Eine solche Summe kann er nie im Leben zurückzahlen. Ach, David, ich hoffe bloß, sie haben ihm nichts angetan.«
»Wann sind diese Typen bei dir aufgekreuzt?«
»Heute Nachmittag. Sie waren zu dritt.«
»Solange sie ihn suchen, wird ihm noch nichts passiert sein. Dann konnte er ihnen bis jetzt entwischen.«
»Ich muss dich sehen, David. Kannst du mir helfen? Ich weiß mir keinen anderen Rat. Du bist der Einzige, dem ich vertrauen kann.«
»Es ist schon spät«, sagte er. »Heute Abend geht es nicht mehr. Lass dein Handy eingeschaltet, für den Fall, dass er anruft. Bestimmt ist alles nur halb so schlimm, ein großes Missverständnis, und er steht morgen früh wieder bei dir auf der Matte.«
»Meinst du?«
»Bestimmt«, log er. »Es wäre nicht das erste Mal, dass sich einer in die Nesseln setzt und aus lauter Panik überreagiert.«
»Dann hilfst du mir? Du suchst ihn?«
»Selbstverständlich.«
»Wo bist du gerade?«, fragte sie. »Können wir uns nicht doch sehen?«
»Keine gute Idee. Stell dir doch mal vor, ich wäre gerade bei dir, wenn er nach Hause kommt. Musst du morgen arbeiten?«
»Ich hab mir ein paar Verfügungstage genommen. Sitze zu Hause rum und warte.«
»Wenn er sich bis morgen nicht gemeldet hat, kümmere ich mich darum«, sagte er.
»Du findest ihn, ja? Du passt auf, dass diese Kerle ihn nicht in die Finger kriegen?«
»Ich schätze, er ist nur ein paar Tage um die Häuser gezogen und kommt jeden Augenblick stockbesoffen nach Hause getorkelt. Dann gibst du ihm einen dicken Versöhnungskuss, und alles ist wieder Friede, Freude, Eierkuchen.«
Schweigen. Dann: »Es tut mir leid, David. Ich wollte dir niemals wehtun.«
»Versuch, ein bisschen zu schlafen«, sagte er. »Wenn er in der Nacht anruft, kannst du mir ja Bescheid geben.«
»Danke.«
Spandau blickte eine ganze Weile in die Brandung, bis ihn eine SMS aus seinen Gedanken riss. Sie war von Anna:
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