Tanz mit dem Teufel
hinuntergestiegen war, drehte er sich noch einmal um. »Danke für Ihre Hilfe.«
Der Priester lachte. »Sagen Sie eigentlich immer, was Sie nicht meinen?« Spandau wollte etwas entgegnen, doch Father Michael winkte ab. »Das war eine rhetorische Frage. Und ich möchte wetten, Sie wissen die Antwort selber nicht.«
Er verschwand im Wohnwagen und ließ die Tür zufallen. Im nächsten Augenblick stand Spandau im Dunkeln. Er zündete sich eine Zigarette an und horchte noch ein paar Minuten auf die Geräusche, die von drinnen kamen. Am liebsten hätte er den Priester noch einmal herausgeklopft und sich vor ihm als Mann von Ehre und Anstand gerechtfertigt. Dabei war er dem Alten nichts schuldig, und er konnte sich auch nicht erklären, weshalb ihm so viel an dessen Anerkennung lag. Er ärgerte sich über sich selbst. Statt an die Tür zu klopfen, drehte er sich um und ging zurück zum Auto, denn Tatsache war, Father Michael hatte recht. Er wusste selbst nicht mehr zu sagen, ob er ein guter Mensch war – was zum Teufel auch immer man sich darunter vorstellen sollte.
35
Am Nachmittag war ihm am Highway 299 ein Motel aufgefallen. Es war kurz nach sieben Uhr, als er durch Cheney zurückfuhr. Die Bürgersteige waren schon hochgeklappt, die meisten Geschäfte geschlossen. Nur das Schnellrestaurant, der kleine Lebensmittelladen und der Supermarkt hatten noch auf. Er roch den Holzrauch, der aus den Kaminen stieg, und sah durch die Fenster die Familien beim Abendessen sitzen. Wie lange war es her, dass er mit seiner eigenen oder auch sonst einer Familie gemeinsam beim Essen gesessen hatte? Das musste wohl bei Dees Eltern gewesen sein, kurz vor dem Tod ihres Vaters. Thanksgiving auf der Macaulay-Ranch bei Ojai. Fast vierzig Jahre waren Mary und Beau verheiratet und immer noch verschmust wie die Teenager. Dee war in tiefster familiärer Geborgenheit aufgewachsen, hatte ein Leben ohne Liebe nie kennengelernt. Dann kam Spandau.
Spandau hatte die Tochter des Chefs geheiratet. Er war ohne Perspektive aus der Armee gekommen, mit nichts als dem etwas kühnen Traum, sich seinen Lebensunterhalt beim Rodeo zu verdienen. Nach zwei Jahren in Deutschland, in denen er nicht einmal ein Pferd zu Gesicht bekommen hatte, war er denkbar schlecht darauf vorbereitet, sich auf einem bockenden Gaul zu halten. Bis er seine Reit- und Lassokünste wieder halbwegs auf Vordermann gebracht hatte, wusste er auch wieder, was ihn ursprünglich dazu bewogen hatte, zum Militär zu gehen: Er war einfach nicht besonders gut. Es reichte gerade aus, um hin und wieder ein Preisgeld zu gewinnen, aber es würde nie genug sein, um monatelange Touren von Stadt zu Stadt zu finanzieren oder die Kosten für die Behandlung der Knochenbrüche aufzubringen.
Beau Macaulay war Stunt-Koordinator bei einem Western, der in Flagstaff gedreht wurde. Jemand gab Spandau den Tipp, dass dafür noch Statisten gebraucht würden, die sich auf einem Pferd halten konnten und in der Lage waren, mehrere Tage hintereinander nüchtern zur Arbeit zu erscheinen.
Spandau fuhr auf die Ranch, wo die Statisten gecastet wurden. Die Pferde, die bei den Dreharbeiten zum Einsatz kommen sollten, grasten auf einer Koppel. Es herrschte hektische Betriebsamkeit, schweres Gerät wurde in der Gegend hin und her gekarrt. Die Tiere waren nervös. Während Spandau am Zaun lehnte und sie sich ansah, fiel ihm ein rothaariger Zweimetermann auf, der ihn beäugte.
Spandau ging zu ihm und fragte ihn, ob er wisse, wie man einen Job als Statist bekommen könne. Der lange Kerl musterte ihn von oben bis unten. Dann zeigte er auf ein Pferd, das am Zaunpfosten angebunden war. Es wirkte müde und gereizt und scharrte unruhig mit den Hufen.
»Sind Sie schon mal geritten?«, fragte er.
»Rodeo, ab und zu.«
»Sind Sie gut?«
Spandau lachte. »Nicht besonders.«
»Sehen Sie den Gaul da? Meinen Sie, Sie könnten aus vollem Lauf von hinten in den Sattel springen?«
»Wie Roy Rogers?«
Der Lange nickte.
»Tja«, sagte Spandau, »ich wüsste zwar nicht, wozu das gut sein sollte, aber es ließe sich vermutlich machen. Allerdings müssten Sie ihm vorher die Beine fesseln, sonst verpasst es mir garantiert einen derben Tritt, sobald ich ihm an den Arsch greife.«
»Ich fand die Nummer auch schon immer ziemlich sinnlos«, grinste Big Beau Macaulay. Er deutete auf eine Frau, die, mit einem Klemmbrett bewaffnet, neben dem Tisch stand, vor dem die Kandidaten für einen Statistenjob in einer Reihe auf ihr Vorstellungsgespräch
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