Tanz mit dem Teufel
zerfressen. Ich darf mir gar nicht vorstellen, was er durchgemacht hat.«
»Tut mir leid«, sagte sie.
Sie bestellten. Spandau bat darum, den Wein sofort zu bringen.
»Für dich wird dadurch natürlich einiges einfacher.«
»Was soll denn das wieder heißen?«, knurrte er.
»Na ja, dass Walter dir die Entscheidung abgenommen hat.«
»Sie ist längst noch nicht gefallen. Ich wollte erst mit dir reden. Ich bin nicht verpflichtet, die Agentur zu übernehmen.«
»Und was passiert, wenn du es nicht machst?«
»Walter hat verfügt, dass die Firma dann aufgelöst wird. Er wollte nicht, dass ein anderer sie weiterführt. Ob ich Ja oder Nein sage, spielt sonst weiter keine Rolle. Ich erbe auf jeden Fall, und Pookie und Leo bekommen eine hübsche Abfindung. Du siehst also, Walter hat keinen Knebelparagrafen eingebaut.«
Der Wein kam. Der Kellner schenkte Spandau ungefähr so viel ein, wie in einen Fingerhut passt, doch der war nicht in Stimmung für das affige Schnüffelritual und bedeutete ihm, das Glas vollzumachen. Der Mann wirkte ein wenig enttäuscht, auch wenn seiner Erfahrung nach nur die Arschlöcher den Wein zurückgehen ließen. Kaum hatte der Kellner sich verzogen, kippte Spandau das halbe Glas hinunter.
»Dann können wir uns die Diskussion also sparen«, sagte sie. »Die Entscheidung liegt bei dir.«
»Ich dachte, wir könnten darüber reden.«
»Als ob’s da noch was zu reden gäbe. Na schön, gratuliere, du bist jetzt ein reicher Mann. Deine Zukunftsaussichten haben sich sprunghaft verbessert. Sicher sieht die Welt für dich schon jetzt ein bisschen anders aus.«
»Herrgott, Anna, wieso sagst du nicht einfach, was dir auf der Seele liegt?«
»Wie lange weißt du schon davon? Es fällt mir schwer zu glauben, dass du überhaupt keine Ahnung davon hattest. Er muss doch wenigstens mal eine Andeutung fallen gelassen haben.«
»Ich habe es erst heute erfahren. Und nein, Andeutungen hat Walter keine fallen lassen.«
»Du hast dir nie überlegt, was passiert, wenn er mal stirbt? Immerhin hat der Mann sich langsam, aber sicher tot gesoffen.«
»Darüber habe ich nie viel nachgedacht. Höchstens, dass ich dann wohl irgendwas Eigenes aufziehen würde. Etwas weniger Stressiges. Seit er sich abgeseilt hat, kümmere ich mich um alles. Und das ist kein reines Vergnügen. Walter war ein Denker und Lenker, und das bin ich nicht. Ich sitz nicht gern den ganzen Tag am Schreibtisch. Das passt nicht zu mir.«
»Dann lässt du die Agentur eben Agentur sein. Problem gelöst.«
»So einfach ist das nicht.«
»Warum nicht?«
Er schwieg.
»Du schuldest ihm nichts«, sagte sie. »Schon gar nicht, dass du bis an dein Lebensende die gottverdammte Walter-Coren-Gedächtnisdetektei leitest. Ich wette, er hat verfügt, dass du den Namen nicht ändern darfst. Stimmt’s?«
Spandau konnte sich ein Schmunzeln nicht ganz verkneifen.
»Ich wusste es. Noch aus dem Jenseits bringt er es fertig, dich auszunutzen. Bist du dir sicher, dass er tot ist? Vielleicht war das ja alles nur Theater. Vielleicht hockt er irgendwo und lacht sich ins Fäustchen. Das würde ich ihm glatt zutrauen.«
»Er war mein Freund«, sagte Spandau. »Ich weiß, dir bedeutet das gar nichts, mir aber schon.«
Anna merkte, dass sie zu weit gegangen war. Wie gern hätte sie es wieder zurückgenommen, aber dafür war es zu spät. Seine Miene hatte sich verkrampft, seine braunen Augen glänzten feucht, und sie wusste, dass sie ihn ins Mark getroffen hatte. Das würde er ihr nie mehr verzeihen. Um überhaupt noch etwas zu retten, half nur noch eins: die nackte Wahrheit. Auch wenn sie dafür ihre gesamte Selbstachtung über Bord werfen musste.
»Willst du mich verlassen?«, fragte sie.
»Denkst du das?«
»Meiner Erfahrung nach ist es immer ein schlechtes Zeichen, wenn jemand eine Frage mit einer Gegenfrage beantwortet.«
»Ich verlasse dich nicht«, sagte er.
»Bestimmt nicht?«
»Ich müsste mal in meinem Terminkalender nachsehen, aber ich glaube nicht, dass ich’s irgendwo eingetragen habe.«
Anna wollte wirklich nicht weinen. Sie versuchte sich hinter dem Weinglas zu verstecken, aber sie konnte es sich auch nicht ewig vors Gesicht halten, ohne daraus zu trinken. Als sie es absetzte, fühlte sie, wie ihr sorgfältig aufgetragenes Make-up zu verlaufen begann.
»Mist.«
»Anna.«
»Du bist so sonderbar in letzter Zeit, immer mitten in der Nacht plötzlich verschwunden. Wir unterhalten uns nicht mehr, wir streiten nur noch, und ich hab keine
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