Tanz mit dem Teufel
alles als Teil von Gottes unergründlichem Ratschluss zu begreifen.«
»San Diego«, drängte Spandau sanft.
»In jener Nacht wollte ich mit ihm schlafen«, sagte sie. »Ich hatte es genau geplant. So war ich damals. Er war zwar viel älter und erfahrener, aber ich habe bestimmt, wo es langging. Ich trug ein enges, tief ausgeschnittenes Kleidchen. Ich hatte ihn lange genug zappeln lassen. Jetzt war ich so weit. Aber nur dieses eine Mal, und dann erst mal abwarten, damit er sich seiner Sache nicht allzu sicher fühlte. Er war es gewöhnt, dass die Frauen willig waren, dass sie immer zu ihm zurückkamen. Ich dagegen hatte vor, ihn langfristig an mich zu binden, und dazu musste ich erst einmal seine Selbstsicherheit ankratzen.« Sie lachte. »Jerry langweilt sich nämlich schnell, wenn ihm etwas zu leicht in den Schoß fällt. Aber bei mir sollte er sich nicht langweilen, Mr. Spandau. Er sollte mich brauchen. Ich wollte wie eine Droge für ihn sein. Ihn süchtig machen.«
»Waren Sie verliebt in ihn?«
Sie drehte sich überrascht zu ihm um.
»Nein«, sagte sie. »Ich habe nie jemanden geliebt. Nicht so, wie Sie meinen.«
Als sie sah, dass er sie nicht verstand, kam sie zu ihm herüber, blieb neben seinem Sessel stehen und blickte auf ihn hinunter.
»Ich bin kein Monster«, sagte sie. »Jetzt liebe ich. Die wahre Liebe, Gottes Liebe, kam spät, aber die Art von Liebe, auf die Sie hinauswollen, hab ich nie gekannt. Bei all den Männern, die ich hatte, habe ich eigentlich nie viel gefühlt. Nicht einmal Lust. Ich wusste, was sie von mir wollten, und einigen habe ich es auch gegeben, weil es mir nichts ausgemacht hat. Aber viel empfunden habe ich dabei nie. Manchmal war es ganz schön, aber ich glaube, das, was man angeblich dabei fühlen soll, habe ich nie erlebt. Keine Ahnung, ob ich deshalb nicht normal bin. Aber ich frage mich doch, wie viele Frauen zu diesen Gefühlen tatsächlich fähig sind. Vielleicht wird uns das alles nur weisgemacht, dass dabei die Erde für einen bebt und so. Für mich hat sie jedenfalls nie gebebt. Ich habe es genossen, mit einem Mann Sachen zu machen, die mir Macht über ihn verliehen. Alle Männer werden im Bett zu Kindern, Mr. Spandau, wussten Sie das? Bei den Frauen ist das anders. Eine Frau wird im Bett zur Mutter.«
Spandau schwieg und wartete. Sie steckte sich noch eine Zigarette an und begann, im Zimmer auf und ab zu gehen, vom Tisch zur Glastür und zurück, mit einem Blick, der ganz nach innen gerichtet war.
»Es war schön in San Diego«, fuhr sie fort. »Er führte mich in ein Restaurant aus, wo alle ihn kannten, er sprach Spanisch, ganz so, als gehörte er zur Familie. Er brauchte noch nicht einmal zu bestellen, sie schleppten dauernd alles Mögliche heran, wie einem Ehrengast. Natürlich wollte er mich damit beeindrucken, und das ist ihm auch voll und ganz gelungen. Ich wurde umschwärmt und umschmeichelt, ich war die Ballkönigin. Das gefiel mir. Wir aßen, wir tranken, und ich war bald ziemlich beschwipst. Beziehungsweise sehr beschwipst.«
»Har er auch viel getrunken?«
»Jerry hat immer viel getrunken. Oft auch zu viel. Man sah es ihm bloß nicht an. Meistens merkte man es erst, wenn es zu spät war. Oder gar nicht. Ich bekam jedenfalls nicht mit, wann die Stimmung auf einmal gekippt ist oder warum. Vielleicht hatte ich etwas Falsches gesagt, keine Ahnung. Ich flirtete auf Teufel komm raus mit ihm, um ihm zu zeigen, dass dies die Nacht der Nächte war.
Plötzlich war es, als hätte jemand einen Schalter umgelegt. Ich glaube, er hatte Angst. Endlich sollte sein Wunsch in Erfüllung gehen, und da wurde ihm mulmig. Er konnte nämlich auch schüchtern sein. Oder er war vergrätzt, weil er wusste, dass die Beute zur Strecke gebracht und das Spiel aus war.
Auf jeden Fall war der Spaß vorbei. Jerry wurde erst schweigsam und finster, dann böse. Er fing an, die Leute im Restaurant auf Spanisch zu beschimpfen. Keine Ahnung, was er zu ihnen gesagt hat, aber sie sind in Deckung gegangen, als hätten sie das alles schon öfter erlebt. Mich hat er überhaupt nicht mehr beachtet. Als ob ich gar nicht da wäre. Irgendwann habe ich ihm vorgeschlagen, dass wir langsam aufbrechen sollten, es wäre eine lange Fahrt zurück nach Los Angeles. Wenn Blicke töten könnten! Er hat sich von mir weggedreht und weitergesoffen.
Ich weiß nicht, wie spät es war, als wir aus dem Restaurant kamen. Ich war todmüde und wollte nur noch nach Hause. Allein bei dem Gedanken, er könnte mich
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