Tanz mit dem Teufel
Ahnung, warum. Gestern bist du nicht nach Hause gekommen, und jetzt sind wir schon wieder aneinandergeraten. Wenn du mich verlassen willst, sei wenigstens so anständig und gib es zu.«
»Ich bleibe bei dir, Anna. Sieh mich an. Ich bleibe.«
Sie nickte.
»Jetzt hab ich die Qual der Wahl«, sagte sie. »Entweder ich flenne hier in aller Öffentlichkeit, oder ich unternehme einen Spießrutenlauf zur Toilette. Was wäre jetzt weniger peinlich?«
»Ich glaube, an deiner Stelle würde ich den Stuhl ein bisschen nach links drehen. Und es einfach rauslassen.«
Was sie auch tat. Als der Kellner mit dem Essen kam, sah sie aus wie ein Clown, aber das war ihr inzwischen egal. Spandau hielt auf dem Tisch ihre Hand, und sie hätte sie am liebsten nie wieder losgelassen. Der Rote-Bete-Salat verschwand, und Spandau trank den Chianti aus. Sie aß die Hälfte von seinem Kalbfleisch, schlüpfte aus ihrem Schuh und fuhr ihm zärtlich mit dem Fuß am Bein hinauf, bis ganz nach oben. Auch kleine Siege wollen gefeiert werden.
49
In Oregon war es nass und kalt. Spandau saß wieder mal in einem Mietwagen, aber diesmal in einem mit genügend Beinfreiheit. Während der Regen auf die Scheibe pladderte, folgte er den Anweisungen des Navis. »Links einordnen. Nach einer halben Meile scharf rechts abbiegen.« Die weibliche Stimme klang barsch und irgendwie missbilligend, als ob sie an jeden Satz noch unhörbar das Wort »Blödmann« anhängte.
Von einer Anhöhe aus erblickte er das Flüsschen und dahinter das Haus. Erleichtert schaltete er das nölende Navi aus. Eine kleine Holzbrücke, die sich über das Wasser spannte, rumpelte bedrohlich, als er darüberfuhr. Das Haus war ein zweistöckiger Holzbau, etwa hundert Meter oberhalb vom Fluss gelegen. Ein Maschendrahtzaun umgrenzte das Grundstück. Spandau parkte den Wagen gegenüber vom Gartentor, hinter dem ein halbwüchsiger Junge mit Downsyndrom im Kies mit Spielzeuglastern spielte. Als Spandau ausstieg, kam der Junge ans Tor getrottet.
»Du bist nicht der Postbote«, sagte er.
»Nein.«
»Ich warte auf ein Päckchen. Mit einem Feuerwehrauto. Meine Mom hat es bei eBay bestellt.«
»Feuerwehrautos sind cool.«
»Ich zeig’s dir, wenn’s da ist«, sagte der Junge. »Feuerwehrautos sind cool.«
»Bist du Mikey?«
»Woher weißt du, wie ich heiße? Ich kenn dich nicht.«
»Ich bin ein Freund von Father Michael.«
»Der ist mein Freund. Den kenn ihn schon immer. Mom sagt, er ist manchmal brummig. Aber zu mir nicht. Er zieht bald bei uns ein.«
»Er hat dich sicher sehr gern«, sagte Spandau. »Zu mir ist er nämlich auch brummig. Ist er hier?«
»Er ist im Haus, bei Mom. Soll ich ihn holen?«
»Ja, machst du das?«
Als der Junge sich umdrehte, kam Father Michael bereits aus dem Haus. Rebecca Hamlin stand hinter ihm.
»Ich hab mir schon gedacht, dass Sie früher oder später hier aufkreuzen«, sagte der Priester. »Sie kamen mir nicht wie ein Typ vor, der sich leicht abschrecken lässt.«
»Ist das ein böser Mann?«, fragte Mikey.
»Nein, Mikey, er ist nur dumm und neugierig. Geh schön ins Haus, ja? Ich möchte mit ihm reden.«
Mikey gesellte sich folgsam zu seiner Mutter. Sie standen hinter der Glastür und ließen Spandau und den Geistlichen nicht aus den Augen.
»Muss ich Sie jetzt mit Gewalt in Ihren Wagen setzen?«, fragte Father Michael.
»Wir würden uns vor dem Jungen nur lächerlich machen. Außerdem wissen Sie genau, dass ich ja doch zurückkommen würde. Ich möchte nur kurz mit ihr sprechen.«
»Sie aber nicht mit Ihnen.«
»Dann soll sie mir das selber sagen.«
»Sie hat schon Kummer genug«, sagte der Priester. »Ich bin zwar nicht mehr der Jüngste, aber ich kann noch ganz gut austeilen, falls Sie versuchen sollten, an mir vorbeizukommen.«
»Ich hab nicht vor, mich mit Ihnen zu prügeln, Michael. Aber ich werde mit ihr reden, jetzt oder später. Ich muss. Das ist mein Job.«
An dem Geistlichen vorbei sah Spandau die Frau hinter der Scheibe an. Father Michael drehte sich nach ihr um, und sie winkte ihn mit einer kleinen Geste zu sich. Der Priester ging hinüber und sprach leise mit ihr. Rebecca und der Junge verschwanden im Haus. Father Michael kehrte zu Spandau zurück.
»Sie redet mit Ihnen«, sagte der Priester. »Sie will das Ganze nur hinter sich bringen.«
Als Spandau durch das Tor trat, hielt der Geistliche ihn auf.
»Wenn Sie Rebecca oder den Jungen in irgendetwas reinziehen, werden Sie es bitter bereuen, darauf können Sie sich
Weitere Kostenlose Bücher