Tanz mit mir - Roman
herüber und überflog kurz, was sie aufgeschrieben hatte. Zwanzig Jahre als Chefsekretärin der Geschäftsleitung ließen sich eben nicht so leicht verleugnen. »Hattest du diesbezüglich noch Ideen?«
Bridget warf ihrer Tochter einen Lehrerinnenblick zu. »Also haben wir uns gegen die Jane-Austen-Hochzeit entschieden?«
»Ja«, bestätigte Irene.
»Ähm, ja«, wiederholte Lauren und wünschte sich, dass Irene nicht so klingen würde, als träfe sie allein alle Entscheidungen. »Ich habe ein paar dieser Brautkleider aus dem Magazin im Empirestil angehabt, und sie … Um ehrlich zu sein, waren sie nicht gerade schmeichelhaft.«
»Was Lauren damit sagen will: Sie sah aus, als sei sie im vierten Monat schwanger«, erklärte Irene. »Das mag ja auch alles schön und gut sein für die Mädchen, die tatsächlich im vierten Monat sind , aber es besteht ja nun absolut kein Grund, warum man so aussehen sollte, wenn man nicht schwanger ist. Nicht wahr, Lauren? Wir beide waren uns einig, und auch die Verkäuferinnen im Laden haben uns zugestimmt. Weiß ist bei deinem Teint nicht unbedingt die richtige Farbe – schließlich soll deine Haut wie Pfirsichhaut aussehen; du willst bestimmt nicht wie die Braut von Dracula wirken.«
Bridget rührte in ihrem Cappuccino mit einer Beiläufigkeit, die – so wurde Lauren mit einem Mal klar – nur aufgesetzt war. »Ich wusste ja gar nicht, dass du die Kleider anprobiert hast.«
»Ich bin schnell während der Mittagspause in das Geschäft hineingesprungen«, antwortete Lauren eilig. »Der Brautmodenladen liegt direkt um die Ecke von Irenes Wohltätigkeitsladen. Deswegen ist sie kurz dazugekommen, damit ich eine zweite Meinung hatte. Es war eine ziemlich spontane Sache. Wir können am Wochenende gerne noch einmal hingehen, wenn du dich mit eigenen Augen davon überzeugen möchtest. Aber ganz ehrlich: Die Kleider waren schrecklich!«
»In der Tat«, pflichtete Irene ihr bei. »In dem richtigen Kleid würdest du umwerfend aussehen, Lauren. Wir müssen es nur noch finden. Aber immerhin können wir nun die Kleider im Empirestil von der Liste streichen.«
»Es ist ganz schön schwer«, seufzte Lauren. »Auf den Fotos sehen die Kleider so schön aus, aber wenn man sie dann anprobiert …« Sie verzog das Gesicht.
»Liebes, selbst in einem Müllsack würdest du noch hinreißend aussehen«, beharrte Bridget. »Ich weiß immer noch nicht, wie wir gleich auf Anhieb ein solch bildhübsches Mädchen zeugen konnten.« Stolz schaute sie zu Irene hinüber. »Als Lauren noch klein war, habe ich ihr immer gesagt, dass
sie eines Tages noch froh sein würde, diese Modelmaße zu besitzen!«
Lauren rang sich ein kleines Lächeln ab. Das war so typisch für ihre Mutter. Immer nur auf die Sonnenseite des Lebens schauen. Sie war jedoch nicht diejenige gewesen, die auf Schulfotos hinten zwischen den Jungs in ihrer Klasse hatte stehen müssen.
»Ich weiß«, antwortete Irene. »Es ist mir ein großer Trost, dass unser Christopher seinem Vater so ähnlich sieht. Er ist fast ein Ebenbild von Ron in jüngeren Tagen. Wie auch immer …« Ihr Gesicht war auf einmal schmerzgequält, und sie zog das Notizbuch wieder zu sich herüber. »Lasst uns noch einmal zusammenfassen: Schneewittchen ist also Laurens bevorzugtes Hochzeitsthema, gefolgt von Dornröschen. Letzteres fände ich übrigens viel romantischer.«
»Was ist denn mit meiner Idee für die Zwerge …«, versuchte Lauren einzuwerfen, jedoch vergeblich.
»Was auch immer – du musst dich jedenfalls unbedingt für einen Tanzkurs anmelden«, fuhr Irene fort. »Dieses Magazin hier schreibt, dass die meisten Leute zu lange damit warten und dann an ihrem großen Tag alles vermasseln, wenn die Nerven mit ihnen durchgehen …«
»Und der Sekt, wie ich Lauren kenne«, fügte Bridget hinzu.
Irene richtete den Blick auf Lauren. »Das willst du doch nicht, oder? Ich habe mich erkundigt, und offensichtlich beginnt morgen Abend ein Kurs in der Memorial Hall in der Inkerman Street. Soll ich dich und Christopher dort anmelden?«
»Du glaubst, dass Chris mit mir zu einem Tanzkurs gehen wird?«, fragte Lauren zweifelnd. »Seine Arbeitskollegen fänden das bestimmt zum Totlachen.«
Chris war stellvertretender Ausstellungsmanager in dem Autohaus, das sein Vater jahrelang betrieben hatte, bis er
an einem Herzinfarkt gestorben war – kurz nach den Gratulationsreden bei der üppigen Feier zu seinem sechzigsten Geburtstag (»Das war genau der Abschied, wie er ihn sich
Weitere Kostenlose Bücher