Tanz mit mir - Roman
dass während des Frühstücks eine von den beiden von einem ärgerlichen Erlebnis berichtete; diese Schilderung schraubte sich dann von einer bloßen Verärgerung zu einem erzürnten Wettern hoch, bis eine von ihnen zu kichern begann und schließlich beide in lautes Gelächter ausbrachen.
Wie gut, dass ich Mum nach London geholt habe, dachte Angelica plötzlich. Ich hätte die Vorstellung nicht ertragen können, dass sie zu Hause allein gehockt hätte, nur umgeben von diesen Fotoalben. Sie faltete den Brief auseinander und war überrascht, vier dicht beschriebene Seiten in Händen zu halten. Worüber hätte ihre Mutter schreiben können, was sie ihr nicht einfach hätte sagen können? Ob es sich um juristische Angelegenheiten handelte?
So wichtig wird es wohl kaum sein, dachte Angelica, obwohl ihr klopfendes Herz anderer Meinung zu sein schien. Warum sollte sich etwas Wichtiges im hinteren Teil eines Fotoalbums befinden, das sie unter Umständen niemals gefunden hätte? Wenn Mum mir etwas Wichtiges hätte sagen wollen, hätte sie einen Brief wahrscheinlich in der Bank deponiert oder ihn zu ihrem Schmuck gelegt, oder?
Liebe Angelica , schrieb Pauline. Ich hoffe, du wirst mir das, was ich dir gleich sagen werde, verzeihen und verstehen, dass es mir sehr viel leichter gefallen ist, dies niederzuschreiben, als es dir von Angesicht zu Angesicht zu erklären. Ich bin immer sehr stolz gewesen auf dich und das, was du getan hast. Du hast deinen Vater und mich unendlich glücklich gemacht, und obwohl es vielleicht nicht immer so ausgesehen haben mag, hast du uns als unsere Tochter große Freude geschenkt.
Angelica stiegen die Tränen in die Augen, während sie Paulines Stimme im Ohr hatte. Sie hatte gewusst , wie stolz ihre Mutter auf sie gewesen war; ihr Vater dagegen hatte niemals
auch nur ein Fünkchen Interesse an ihrer Karriere erkennen lassen.
Während Angelica weiterlas, wurde ihr klar, dass die ungewöhnlich sorgsam gewählten Worte ihrer Mutter auf etwas zusteuerten, das sie niemals hätte aussprechen können. Angelica schnappte plötzlich unwillkürlich nach Luft.
Obwohl wir dich nicht mehr hätten lieben können, wenn du unsere eigene Tochter gewesen wärst, so muss ich dir doch sagen, dass wir nicht deine leiblichen Eltern sind.
Die Tinte war an dieser Stelle viel dunkler als zuvor, als ob Pauline den Füller für ein paar Minuten weggelegt hätte, um nach den richtigen Worten zu suchen, mit denen sie fortfahren sollte.
Nach unserer Hochzeit haben wir viele Jahre lang gebetet und gehofft, mit einem eigenen kleinen Baby unsere Familie zu vervollständigen, doch wir wurden enttäuscht. Ich hatte schon lange die Hoffnung auf eigene Kinder aufgegeben, als eine Dame aus unserem Tanzverein von einer jungen Bekannten erzählte, die sich in einer schrecklichen Situation befand. Das arme Mädchen erwartete ein Kind, aber sie war aus bestimmten Gründen nicht in der Lage, es allein großzuziehen. Sie wollte es jedoch auch nicht in ein Waisenhaus bringen, da sie den Gedanken nicht ertragen konnte, dass das Kind von Fremden aufgezogen würde.
Mir war sofort klar, dass wir diesem kleinen Baby ein liebevolles Zuhause bieten könnten. Wir trafen uns mit dem Mädchen, das sich sehr darüber freute, dass wir sein Baby adoptieren wollten. Von dem Augenblick an, in dem du in meine Arme gelegt wurdest, warst du unsere Angela. Ich wünschte, ich könnte dir die tiefe Glückseligkeit beschreiben, die ich empfand, als sich deine kleine Hand um meinen Finger schloss und du mich aus deinem Kinderbettchen heraus angesehen hast. Angela, dies war der schönste Moment in meinem Leben, und ich verspürte ein Glück, auf das zu hoffen ich schon aufgegeben hatte. Durch dich sind wir endlich zu einer richtigen kleinen Familie geworden.
Vielleicht fragst du dich, warum ich dir all das erst jetzt erzähle, nach so vielen Jahren. Dein Vater und ich haben oft darüber gesprochen, und er war der Meinung, dass du es hättest erfahren müssen, bevor du von Zuhause weggegangen bist. Ich weiß, dass dein Dad und du während deiner Jugend ein schwieriges Verhältnis zueinander hattet und dass du immerzu das Gefühl hattest, dass er dir gegenüber nicht so liebevoll war, wie du es dir vielleicht gewünscht hättest. Die Wahrheit ist, dass er sehr genau wusste, wie viel du mir bedeutest. Er hatte große Angst, dass du eines Tages alles herausfinden und uns verlassen könntest, um deine leiblichen Eltern zu suchen. Ich weiß, ich bin eine sehr
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