Tanz, Pueppchen, Tanz
Mann, den ihre Mutter erschossen hat, auf dem Schoß seine kleine Tochter. Das Mädchen ist acht oder neun und hat dunkle Haare und durchdringende Augen. »Oh mein Gott.«
Amanda taumelt rückwärts gegen den Schreibtisch, als hätte irgendwer sie gestoßen. Das junge Mädchen ist nicht Hope. Es ist die Frau, die vor ihr sitzt.
»John Mallins war dein Vater?«, fragt Amanda mit so tiefer und tonloser Stimme, das sie aus dem Boden zu tönen scheint.
»John Mallins war mein Mann«, verbessert die andere Frau sie, von Kopf bis Fuß zitternd. »Davor war er Rodney Turek.« Ein spitzer Schrei drängt aus ihrer Kehle und durchbohrt die Luft. »Mein Vater.«
Amandas Mund steht offen, doch kein Laut dringt heraus. Sie versucht sich zu bewegen, doch ihre Arme und Beine scheinen nicht mehr da zu sein. Sie hängt in der Luft, während Hayley zu Boden sinkt.
»Du darfst nicht zulassen, dass sie mir die Kinder wegnehmen«, fleht Hayley und wiegt ihren Körper hin und her.
»Du darfst nicht zulassen, dass sie mir die Kinder wegnehmen.«
Das wahre Grauen der Situation sickert erst langsam in Amandas Bewusstsein. »Deine Kinder? Oh mein Gott. Seine Kinder.«
»Er hat gesagt, wenn es irgendjemand erfahren würde, würde man sie mir wegnehmen.«
Amanda kniet neben der Frau auf dem Boden. »Niemand wird dir deine Kinder wegnehmen. Hörst du mich?«
Hayley nickt, obwohl ihr Gesichtsausdruck alles andere als überzeugt wirkt.
»Du musst mir erzählen, was passiert ist. Bitte, Lucy«, sagt Amanda. Als sie zum ersten Mal den richtigen Namen der Frau benutzt, sieht sie, wie Tränen über deren Wangen strömen, als ob ihr mit einem Mal eine schreckliche Last von den Schultern genommen worden wäre. »Bitte, erzähl mir, was passiert ist.«
»Er war mein Vater, und ich habe ihn geliebt. Du hast deinen Vater doch auch geliebt, oder?«, fragt Lucy traurig.
»Ja, sehr.«
»Dein Vater war ein wundervoller Mann. Er war so nett zu mir.«
Amanda nickt, während sie sich sein gütiges Gesicht vor Augen ruft.
»Aber er war nicht mein Vater. Und ich habe meinen Dad so vermisst. Er war immer mein Held gewesen und hat immer zu mir gehalten, wenn ich Ärger mit Mom hatte. Wenn sie sagte, dass ich irgendetwas nicht haben durfte, bin ich zu ihm gelaufen, und er hat es mir gekauft. Wenn sie mir etwas verboten hat, hat er es mir erlaubt. Natürlich hielt ich ihn für den besten Vater der Welt. Und dann war er plötzlich … weg. Und nach einer Weile heiratete Mom Mr. Price, und kurz darauf wurdest du geboren. Und da habe ich meinen Vater noch mehr vermisst.
Und dann stand er eines Tages plötzlich vor mir, als ich von der Schule nach Hause kam. Meine Mutter hat mir natürlich verboten, ihn zu treffen, sodass wir uns heimlich sehen mussten. Er sagte, Mom wäre eine böse Frau, die ihm sehr viel Geld gestohlen hätte, und bat mich, ihm zu helfen, es zu finden. Ich habe es versucht, aber als ich nichts fand, sagte er, er müsse wieder fortgehen. Der Gedanke, ihn ein zweites Mal zu verlieren, war schlicht unerträglich, und ich flehte ihn an, mich mitzunehmen. Er sagte, wir müssten unseren Namen ändern und uns verstecken. Ich fand, das klang schrecklich aufregend, wie ein großes Abenteuer. Wir sind nach England gegangen und von Stadt zu Stadt gezogen, und anfangs war es auch in Ordnung. Aber nach einer Weile habe ich angefangen, meine Mutter, meine Freundinnen und vor allem dich zu vermissen. Er sagte, wir könnten nie nach Hause zurückkehren, man würde ihn der Kindesentführung beschuldigen, und ich wäre dafür verantwortlich, wenn er den Rest seines Lebens im Gefängnis verbringen müsste. Und er sagte, dass er mir eines Tages ein eigenes Baby schenken würde.«
Amanda vergräbt ihr Gesicht in den Händen, weil sie ihren wachsenden Ekel nicht mehr verbergen kann.
»Du musst verstehen, wie isoliert ich war. Zwei Jahre sind wir von einem Ort zum anderen gezogen. Ich hatte keine Freundinnen. Nur ihn. Wir waren nie getrennt. Er war alles für mich. Mein Vater, mein Lehrer, mein bester Freund. Und irgendwann auch mein Liebhaber und schließlich mein Mann. Wir haben uns ins Sutton niedergelassen. Er hat einen kleinen Laden gekauft. Nach einer Weile fühlte es sich beinahe … normal an. Ich hatte eine Reihe von Fehlgeburten und anschließend zwei Totgeburten. Die Strafe Gottes, sagte ich mir, und dann wurde ich schwanger mit Hope. Und sie war gesund. Viel mehr als das – sie war perfekt. Und dann kam Spenser. Und dann, was sollte ich
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