Tanz, Pueppchen, Tanz
absolut zurechnungsfähig«, erklärt ihre Mutter ruhig. »Ich wusste genau, was ich tat, als ich diesen Mann erschossen habe, und ich wusste auch, dass es falsch war. Ist das nicht die juristische Definition von geistig gesund?«
»Geistig gesunde Menschen laufen nicht rum und erschießen wildfremde Leute.«
»Vielleicht doch.«
Amanda wendet sich Ben zu. »Du hast doch nicht ernsthaft vor, sie auf schuldig plädieren zu lasen?«
»Glaub mir, es ist nicht meine Entscheidung.«
»Er hat keine Wahl«, stellt Gwen Price fest. »Und du auch nicht. Ich habe einen Mann erschossen, und ich bin bereit, die Konsequenzen zu tragen. Es ist wirklich ganz einfach.«
»Nichts im Zusammenhang mit dir war je einfach.«
»Wie dem auch sei«, erwidert ihre Mutter. »Es ist immer noch meine Entscheidung.«
»Wer war John Mallins, Mutter?«
»Ich habe keine Ahnung.«
»Woher kanntest du ihn?«
»Gar nicht.«
»Warum hast du dann auf ihn gewartet?«
»Das habe ich nicht.«
»Du hast nur zufällig mit einer geladenen Pistole in der Tasche in der Hotellobby gesessen, als er hereinspaziert ist«, wiederholt Amanda, so kommt es ihr vor, zum hundertsten Mal.
»Genau.«
»Und dann bist du aus deinem Sessel aufgestanden, durch die Halle gegangen und hast auf ihn geschossen.«
»Ja. Drei Mal, glaube ich.«
»Völlig grundlos.«
»Ja.«
»Weil dir danach war.«
»Ja.«
»Warum?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht hat mir sein Schnurrbart nicht gefallen.«
»Dir hat sein Schnurrbart nicht gefallen?!«
»Es ist ein Grund so gut wie jeder andere«, sagt ihre Mutter.
»Mach dich nicht über mich lustig.«
»Tut mir Leid, Püppchen. Das war nicht meine Absicht.«
»Was?« Amanda taumelt nach hinten, als hätte man sie geschlagen.
»Ich wollte mich nicht über dich lustig machen. Es ist
bloß …«
»Nenn mich nie wieder so!«
Ihre Mutter wirkt ernsthaft bekümmert. »Tut mir Leid.«
»Also gut, hören Sie«, geht Ben dazwischen. »Können wir vielleicht weitermachen?«
»Es geht nur in eine Richtung weiter«, erklärt Gwen ihnen. »Und die führt direkt in eine Gefängniszelle. Ich verstehe eure Neugier und bin auch wirklich dankbar, dass ihr mir helfen wollt, aber …«
»Aber was?«, will Amanda wissen. »Was ist mit John Mallins’ Familie, Mutter? Findest du nicht, dass seine beiden Kinder eine Erklärung verdient haben, warum du ihren Vater ermordet hast? Schuldest du John Mallins’ Witwe nicht zumindest ansatzweise eine Antwort auf ihre Fragen?«
»Dass ich ihnen Schmerzen bereitet habe, tut mir sehr Leid«, sagt Gwen Price, den Blick unvermittelt von Tränen umflort.
Was zum Teufel ist das, fragt sich Amanda, der die unerwarteten Tränen ihrer Mutter mehr Angst machen, als es ihre Wut je vermocht hat. Wer ist diese Frau, denkt sie. Was für eine Nummer zieht sie jetzt wieder ab? »Wer war John Mallins, Mutter? Warum hast du ihn erschossen?«
Ihre Mutter schweigt.
»Die Polizei wird Ermittlungen anstellen, das weißt du«, erklärt Amanda ihr. »Sie werden der Sache auf den Grund kommen.«
Für einen kurzen Moment flackert Furcht in Gwens Gesicht auf und verschwindet rasch wieder. »Sie müssen nicht auf den Grund von irgendwas kommen, wenn ich erst einmal auf schuldig plädiert habe. Mein Geständnis haben sie schon, dazu die Mordwaffe und eine Lobby voller Augenzeugen. Niemanden kümmert es, warum ich diesen Mann erschossen habe, solange der Staatsanwalt seine Verurteilung kriegt.«
»Mich kümmert es«, sagt Amanda leise.
»Es tut mir Leid«, wiederholt ihre Mutter.
Amanda reibt sich die Stirn, blickt zur Decke und atmet tief ein. »Okay, du hast gewonnen.« Sie geht eilig zur Tür.
»Wir verschwenden hier nur unsere Zeit, Ben. Lass uns gehen.«
»Mrs. Price, bitte«, drängt Ben.
»Lass gut sein, Ben«, faucht Amanda. »Ich weigere mich, diese albernen Spielchen zu spielen. Sie ist offensichtlich fest entschlossen. Sie möchte für den Rest ihres Lebens im Gefängnis versauern. Soll sie.« Sie reißt die Tür auf.
»Amanda.« Die Stimme ihrer Mutter lässt sie erstarren. Sie fährt herum, ohne die Klinke loszulassen.
»Ich glaube nicht, dass ich dir je gesagt habe, wie schön du bist«, sagt ihre Mutter.
Amanda weiß nicht, ob sie lachen oder weinen soll. Sie flüchtet aus dem Raum, bevor sie eins von beiden tut.
12
»Hast du gehört, was sie gesagt hat?« Amanda stürzt aus der äußeren Tür des Gefängnisses und stapft wütend über den von Schneematsch bedeckten Parkplatz. »Ich glaub es
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