Tanz, Pueppchen, Tanz
denkt sie, hört die unausgesprochene Einladung, bei ihm zu wohnen, und fragt sich, ob das wirklich eine gute Idee wäre. Sie hat nicht die Absicht, etwas anfangen, weil sie keine Lust hat, etwas zu beenden. Eine unernste Affäre wäre eine andere Sache, aber Ben mangelt es erwiesenermaßen an Talent zum Unernst.
»Den Schlüssel hast du doch schon«, reißt er sie aus ihrem inneren Zwiegespräch.
»Was?« Wie hat er von dem Schlüssel erfahren? »Woher weißt du das?«
»Was soll das heißen, woher ich das weiß? Ich war doch dabei, als sie ihn dir gegeben hat.«
»Wovon redest du überhaupt?«
»Corinne Nash.«
»Corinne Nash?«
»Amanda, geht es dir gut?«
Die Erkenntnis trifft Amanda wie ein verdeckter linker Haken. »Du redest vom Schlüssel zum Haus meiner Mutter?«
»Von welchem Schlüssel sollte ich sonst reden?«
»Da kann ich nicht bleiben.«
»Von welchem Schlüssel sollte ich sonst reden?«, wiederholt Ben und verstärkt den Druck auf ihren Ellenbogen, bis sie stehen bleibt. »Amanda, wovon redest du?«
»Ich habe einen Schlüssel zu einem Bankschließfach meiner Mutter gefunden«, gesteht Amanda.
»Was? Wo?«
»In einem Schuhkarton im Kleiderschrank meiner Mutter.«
Nach anfänglicher Verwirrung hellt sich seine Miene auf, bevor er sie ein weiteres Mal fragend ansieht. »Und du hast mir nichts davon erzählt, weil …«
»Weil ich ihn in die Tasche gesteckt und dann völlig vergessen habe.« Nicht direkt gelogen, entscheidet Amanda. Sie hatte ihn eingesteckt, und sie hatte ihn vergessen.
»Warum denkst du, dass mehr dahinter steckt?«
»Weil ich gestern zu der Bank gefahren bin und das Schließfach geöffnet habe.«
»Bitte sag mir, dass das nicht dein Ernst ist.«
»Und du glaubst nicht, was ich entdeckt habe.«
»Was ich nicht glaube, ist, dass du etwas derartig Dummes getan hast.«
»Ich habe Geld gefunden, Ben.«
»Du hast das Gesetz gebrochen, Amanda.«
»Einhunderttausend Dollar, Ben.«
»Was?!«
»Einhunderttausend Dollar in Hundert-Dollar-Scheinen. Was glaubst du, was das bedeutet?«, fragt sie in die nachfolgende Stille hinein.
Ben schüttelt den Kopf. »Ich habe nicht die leiseste Ahnung.«
»Da ist sie.« Amanda weist mit dem Kopf zu der Treppe, wo in diesem Moment ihre Mutter erscheint. Gwen Price steht in einer kleinen Gruppe von Häftlingen, die alle die gleichen hässlichen grünen Anzüge mit der knallrosa Borte tragen. Die Polizistin, die sie beaufsichtig, nimmt allen vorsichtig die Handschellen ab. »Ist das zu fassen?«, murmelt Amanda, die die Szene beobachtet, als wäre sie Teil eines unangenehmen Traums. »Sie lächelt.«
»Sie ist reich«, erwidert Ben und führt sie durch die Glastür zu dem Bereich, in dem die Gefangenen warten. »Ben Myers«, stellt er sich der Polizistin vor und präsentiert seinen Ausweis. »Ich bin Gwen Price’ Anwalt. Das ist Amanda Travis. Wir würden gern kurz alleine mit unserer Mandantin sprechen.«
Nicht direkt gelogen, denkt Amanda erneut, als die Beamtin sie in einen abgetrennten Bereich in Hörweite führt. Ben ist Gwen Price’ Anwalt. Sie ist Amanda Travis.
»Du siehst hinreißend aus«, erklärt ihre Mutter ihr, deren Miene sich erkennbar aufhellt, als sie Amanda sieht. »Die Farbe steht dir wunderbar.«
Amanda macht den Mund auf, bringt jedoch keinen Mucks heraus. Wer ist diese Frau, denkt sie.
»Wie geht es Ihnen heute, Mrs. Price?«, fragt Ben.
Gwen reibt sich die von den Handschellen noch geröteten Handgelenke. »Danke, gut, Ben. Nur gut allerdings, dass ich nicht unter Klaustrophobie leide. In dieser grünen Minna oder wie man das nennt, gibt es kein bisschen Luft, und man sitzt so eng zusammengedrängt, dass man kaum atmen kann. Stimmt irgendwas nicht, Liebes?«, fragt sie Amanda.
»Ob irgendwas nicht stimmt? Was sollte denn nicht stimmen?«, fragt Amanda ungläubig. Sie denkt an den alten Film Invasion der Körperfresser, in dem Wesen aus dem All in die Körper von schlafenden Menschen schlüpfen. Du bist zu spät gekommen, versucht sie dem Außerirdischen hinter den Augen ihrer Mutter zu übermitteln. Du bist zu spät.
»Wir haben noch ein paar Dinge zu besprechen, Mrs. Price.«
»Ich habe wirklich nichts zu sagen, Ben. Außer, dass ich mich für schuldig erklären werde.«
»Dies ist eine Kautionsanhörung, Mrs. Price«, versucht Ben zu erläutern. »Wir sind hier, um Sie aus dem Gefängnis herauszubekommen, zumindest bis zum Prozess.«
»Aber es wird keinen Prozess geben. Ich habe vor, mich
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