Tanz um Mitternacht
die Umgebung, die beiden wohlerzogenen Pferde.
Schließlich drosselte er das Tempo des Gespanns und fragte interessiert: »Wie war Ihnen zumute, jahrelang auf einer einsamen Insel, weit entfernt von Ihrer Heimat?«
Vom Rhythmus der rollenden Räder und der Hufschläge angenehm entspannt, lehnte sie sich zurück. »Eine schwierige Frage... Ehrlich gesagt, nach dem Tod meiner Mutter hatte ich jahrelang kein richtiges Heim. Dann begann mein Vater zu verreisen, und ich begleitete ihn natürlich. Seit er meine Mutter verloren hat, scheinen ihn exotische Länder zu faszinieren. Vielleicht sucht er in der Ferne Trost... Und nachdem ich so oft von einem Ort zum anderen gefahren war, wurde das Fremde für mich zur Regel.«
Der Duke bog in eine weniger befahrene Straße, versetzte die Pferde in langsamen Trab, und Cait sah den Fluss zwischen den Bäumen durchschimmern, ein breites, blaues Band. »Während ich Ihren Vortrag hörte, gewann ich den Eindruck, Sie würden die Erholung von all den Reisen genießen«, bemerkte Rand. »Und ich glaubte, Sie würden lieber in die Staaten zurückkehren als nach Santo Amaro.«
Damit hatte er Recht. Zumindest wollte sie eine Zeit lang an einem Ort leben, den sie ihr Heim nennen konnte. »Was ich mir wünsche, spielt keine Rolle. Mein Vater ist sich sicher, dass er die Halskette finden wird. Wenn es ihm gelingt, hat sich seine harte Arbeit gelohnt.«
»Und Sie, Cait? Ist Ihr Glück unwichtig?«
Unbehaglich zuckte sie die Achseln. »Ich liebe ihn. Um sein Ziel zu erreichen, braucht er meine Hilfe, und die will ich ihm geben. Für seinen ersehnten Erfolg werde ich alles tun, was in meiner Macht steht.«
Beldon musterte sie nachdenklich, als wollte er weitere Fragen stellen. Doch er besann sich anders, lächelte ihr zu, und der Augenblick, der Cait ein wenig verwirrt hatte, verstrich. Eine gute Stunde nachdem sie die Stadt verlassen hatten, folgten sie einer schmalen Straße, die zum Fluss führte. Zwischen tief hängenden Weidenzweigen und saftigem grünem Gras flutete die Themse dahin. Golden glitzerte das Sonnenlicht auf den Wellen, und nahe dem anderen Ufer trieben einige kleine Boote stromabwärts.
»Was für ein schönes Fleckchen Erde!«, rief Cait bewundernd. »Wie haben Sie’s entdeckt?«
»Es ist mein Eigentum.« In seiner linken Wange erschien das Grübchen, das ihr schon mehrmals aufgefallen war. »Dieses Gebiet gehört zu River Willows, einem Landgut, das ich zusammen mit meinem Herzogtum geerbt habe.« Er zügelte das Gespann und zog die Bremse des Phaetons an. Dann sprang er vom Sitz und eilte um den Wagen herum. Starke Hände umfassten Caitlins Taille. Statt sie auf die Füße zu stellen, ließ er sie ganz langsam zu Boden gleiten, und ihr Körper streifte seinen. An seinem flachen Bauch und an den Oberschenkeln spürte sie harte Muskeln. Eine sonderbare
Gänsehaut ließ sie erschauern, und in ihrem Innern entstand eine schmelzende Hitze.
Um sein Gesicht zu betrachten, legte sie den Kopf in den Nacken. Der Ausdruck seiner braunen Augen mit den goldenen Pünktchen nahm ihr den Atem. Sekundenlang glaubte sie, er würde sie küssen.
Aber er stellte sie auf die Beine und trat zurück. »Hoffentlich sind Sie hungrig.« Das beiläufige Lächeln passte nicht zum heiseren Timbre seiner Stimme. »Wie ich meine Köchin kenne, hat sie einen so reichlichen Lunch eingepackt, dass Sie mit Ihrem Vater während der ganzen Expedition davon leben könnten.«
Weil sie immer noch die Wärme seiner Hände und seiner breiten Brust spürte, klang ihr Gelächter etwas gepresst. »Dank Ihnen habe ich sogar einen Bärenhunger. Die frische Luft... Und wie Sie die Postkutsche überholten, als wäre sie an einem Baumstamm festgebunden - dieses Erlebnis hat meinen Appetit entschieden angeregt.«
Belustigt hob er die Brauen. »Die meisten Frauen hätten gellend geschrien und mich angefleht, um Himmels willen stehen zu bleiben. Und Ihnen hätte es vermutlich Spaß gemacht, wenn die Pferde noch schneller galoppiert wären.«
»Warum sollte ich mich fürchten? Sie sind ein ausgezeichneter Fahrer, Rand.«
Über dieses Kompliment schien er sich zu freuen, was er aber nicht aussprach. Er nahm eine weiche Wolldecke aus dem Zweispänner, die er Cait übergab. »Tragen Sie das, ich kümmere mich ums Essen.« Einen großen Korb in der Hand, führte er sie unter die langen Äste einer Weide. Cait breitete die Decke im Gras aus, und der Duke richtete den Lunch darauf an - kalten gebratenen Kapaun,
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