Tanz um Mitternacht
gesegelt? Verwundert warf Cait die Schaufel in den Sand und wischte den Staub von ihren Händen. Als sie den Kopf hob, erschienen zwei Lederstiefel in ihrem Blickfeld. Breeches aus gelbbraunem Baumwollköper steckten darin. Langsam wanderten ihre Augen weiter nach oben, an zwei langen Beinen und schmalen Hüften empor, bis zu einer breiten, seltsam vertrauten Brust.
»Hallo, Caitlin.«
Beim Klang dieser tiefen Stimme schnappte sie entsetzt nach Luft und schaute noch weiter nach oben. Vor dem Sonnenlicht zeichnete sich die Silhouette kraftvoller Schultern ab, unter der Krempe eines Segeltuchhuts blieb das Gesicht im Schatten.
»Rand...«, würgte sie hervor. Scheinbar versuchte ihr Herz, aus der Brust zu springen. Für einen kurzen, süßen, beglückenden Moment glaubte sie, er wäre ihretwegen hierher gereist, weil er in den langen Monaten nach dem Abschied erkannt hatte, dass er sie liebte. Dass sie zueinander gehörten.
Und dann wurde ihr die raue Wirklichkeit bewusst. Nein, ihretwegen war er nicht nach Santo Amaro gesegelt. So etwas würde Rand Clayton niemals tun. Er war ein Duke und sie die Tochter eines bürgerlichen Professors. Deshalb passten sie nicht zusammen. Nein, Rand hatte die Reise wegen des Barons unternommen - oder wegen ihres Vaters.
Trotz der tropischen Sonne fröstelte sie. Zweifellos war der Duke of Beldon ein formidabler Widersacher. Sie hoffte inständig, ihr Vater würde nicht in Gefahr schweben. Was hatte Rand vor? Sie versuchte aufzustehen, stolperte und stürzte beinahe. Als er ihren Arm umfasste und ihr half, das Gleichgewicht wiederzufinden, schien flüssiges Feuer durch ihre Adern zu strömen.
»Alles in Ordnung?«, fragte er, und sie nickte.
Entschlossen rang sie nach Fassung. »Ich war nur überrascht. Natürlich habe ich nicht mit deiner Ankunft gerechnet.«
»Da du so oft von dieser Insel geschwärmt hast, wollte ich sie kennen lernen.« Sie legte ihren Kopf in den Nacken, und ihr Hut fiel hinab. Lächelnd hob er ihn auf und drückte ihn in ihre Hand. »Ich weiß, du hasst Hüte. Freut mich, dass du trotzdem vernünftig genug bist, einen zu tragen - unter der glühenden Sonne...«
»Was machst du auf Santo Amaro? Andererseits - das glaube ich zu wissen.«
Erstaunt hob er die dunklen Brauen. »Tatsächlich?«
Ihr Herz pochte viel zu schnell. Zum Teufel, was hatte er hier zu suchen? Und warum jetzt? Kurz vor ihrer Hochzeit? »Du bist hinter Talmadge her«, erwiderte sie und konnte den bitteren Klang ihrer Stimme nicht verhindern.
»Wieso weißt du, dass ich nicht deinetwegen die weite Reise auf mich genommen habe?«
Sie fand keine Zeit, um zu antworten. In diesem Augenblick kamen ihr Bräutigam und ihr Vater heran. Geoffrey ging an Rand vorbei. Besitzergreifend legte er einen Arm um ihre Taille, was dem Duke nicht entging.
Aber er verlor kein Wort darüber und schüttelte die Hand, die der Professor ihm reichte. »Freut mich, Sie wieder zu sehen, Dr. Harmon.«
»Was um alle Welt führt Sie hierher, Beldon?«
Die Frage jagte einen Schauer über Caits Rücken. Zum
ersten Mal überlegte sie, ob Rand vielleicht von ihrer Schwangerschaft erfahren hatte. Nein - Maggie, ihre liebste, beste Freundin, würde sie niemals verraten.
»Offen gestanden, ich habe mich in England gelangweilt«, erklärte Rand und lächelte ausdruckslos. »Schließlich dachte ich, ein kleines Abenteuer in einer exotischen Gegend würde mich amüsieren. Wie ich mich entsinne, haben Sie einmal erwähnt, Sie würden möglichst viele Hilfskräfte brauchen, Professor. Selbstverständlich bin ich bereit, Ihre Expedition mitzufinanzieren.«
Misstrauisch runzelte Geoffrey die Stirn, aber Donovan Harmon rief erfreut: »Wenn das so ist, sollen Sie Ihr Abenteuer erleben, mein Junge! Wir sind dankbar für jede Hilfe, nicht wahr, Geoffrey?«
»Um ehrlich zu sein - ich hatte das Gefühl, wir würden sehr gut allein zurechtkommen«, erwiderte Geoffrey feindselig. »Wie kann es einen Duke interessieren, alte Münzen und Scherben auszugraben?«
Rand grinste süffisant. »Da zeigt sich, wie wenig Sie über Dukes wissen. Dieser hier genießt es, an der frischen Luft zu arbeiten und seiner banalen Existenz für eine kleine Weile zu entfliehen.«
Erbost starrte Geoffrey zum Schiff hinüber. »Ich hatte gehofft, Kapitän Baptiste würde an Land kommen.«
Aber der Schoner hatte bereits die Segel gesetzt und durchpflügte die Wellen, auf der Rückkehr zum Festland. Erleichtert atmete Cait auf.
Rand folgte Geoffreys
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