Tanz um Mitternacht
Leute in europäischer Kleidung und dunkelhäutige Eingeborene in bunter Tracht, die Eimer voller Sand aus der Ausgrabungsstätte schleppten. Professor Harmons Forschungstruppe lag auf den Knien und wühlte im Sand. Als eine der Gestalten den Hut abnahm, um Schweiß von der Stirn zu wischen, erkannte er Caitlin Harmons feuerrotes Haar.
Plötzlich wurde sein Mund trocken. Wenn er ihr auch grollte - er fieberte dem Wiedersehen entgegen. Erstaunlich. Seine Handflächen fühlten sich feucht an. Einfach lächerlich. Er war doch kein unreifer Schuljunge mehr... Trotzdem wuchs seine Nervosität.
»Endlich sind wir da.« Percy trat neben seinen Herrn an
die Reling. Wie immer hatte Rand seine Schritte nicht gehört. Kein Mensch pflegte sich so lautlos zu bewegen wie sein Kammerdiener.
»Ja - endlich. Hoffen wir, dass wir nicht lange hier bleiben müssen.«
Percy musterte den Duke über die Spitze seiner langen
Nase hinweg. »Nun, das hängt wohl von der jungen Dame ab.«
»Bis zu einem gewissen Grad!«, stieß Rand zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor. »Wenn sie keine Vernunft annimmt, muss ich drastischere Maßnahmen ergreifen.« Auf dieser einsamen Insel wollte er keine Minute länger als unbedingt nötig verbringen. Nur so lange, bis Cait zur Besinnung kam, ihm mitteilte, sie würde ein Kind erwarten, und seinen Heiratsantrag annahm.
Ehe er erfuhr, was Cait ihrem Vater erzählt hatte, würde er einfach behaupten, nachdem die Teilnehmer der Expedition abgereist seien, habe ihn die Neugier gepackt. Außerdem würde er eine kleine Ablenkung brauchen, ein Abenteuer in seinem langweiligen Dasein. Das erwartete er auf Santo Amaro zu erleben. Selbstverständlich wollte er für die Gastfreundschaft bezahlen, die man ihm gewährte.
Nur zu gern würde der Baron einen größeren Betrag entgegennehmen. Daran zweifelte Rand nicht.
In einiger Entfernung vor der Küste ließ der Kapitän den Anker werfen, und ein kleines Boot wurde zu Wasser gelassen. Im Bug saß Percy, sein Herr auf dem Dollbord in der Mitte des Kahns, und ein Seemann ergriff die Ruder im Heck. Das Gepäck war bereits ins Boot verladen worden. Jetzt warf ein Besatzungsmitglied nur noch Rands großen Lederranzen und Percys Segeltuchtasche über die Reling herab. Geschickt fing Rand beides auf, winkte dem Seemann zu, und das Boot glitt elegant durch die Wellen.
Während sie sich dem weißen Strand näherten, stellte er sich lächelnd vor, was für ein Gesicht Caitlin machen würde, wenn sie einen der beiden Besucher erkannte.
Viel heißer als am Vortag schien die Sonne herab. Zumindest gewann Cait diesen Eindruck. Sie nahm den breitrandigen Strohhut ab und wischte ihre Stirn mit dem Taschentuch aus weißem Leinen ab, das sie in einem malerischen kleinen Laden in St. James’s gekauft hatte. In einer Ecke waren rosa Initialen eingestickt, die ihr plötzlich Tränen in die Augen trieben. Irritiert seufzte sie und setzte den Hut wieder auf. Dann stopfte sie das Taschentuch in die Brusttasche ihrer Bluse und wünschte, das alberne kleine Ding würde sie nicht an London und die Freundinnen erinnern, die sie so schmerzlich vermisste.
Ebenso wenig wollte sie an die Tage mit Rand denken. Seufzend begann sie wieder zu arbeiten. Seit sie Geoffreys Heiratsantrag vor zwei Wochen angenommen hatte, vermisste sie Rand schmerzlicher denn je. Sie versuchte die beiden Männer nicht miteinander zu vergleichen. Aber wenn Geoffrey mit ihr im Mondschein spazieren ging, wenn er sie umarmte und küsste, konnte sie nicht anders.
Wie sie allmählich herausfand, bestand zwischen Geoffrey St. Anthony und dem Duke ein viel größerer Unterschied, als sie zunächst vermutet hatte. In Geoffreys Brust brannte kein leidenschaftliches Feuer. Trotzdem glaubte sie, ihr Entschluss wäre richtig gewesen. Jeden Monat beförderte das Postschiff Vorräte zur Insel. Wenn es nächstes Mal vor der Küste ankerte, sollte der Kapitän die Trauung vornehmen. In zwei Wochen würde es soweit sein. Nach Caits Ansicht viel zu früh. Aber ihrem Baby zuliebe durfte sie nicht länger warten.
Aus den Augenwinkeln entdeckte sie ein Segel in der
Nähe des Strands. Als sie genauer hinschaute, erkannte sie die Moroto. O Gott - warum kam Kapitän Baptiste schon jetzt hierher? Qualvoll krampfte sich ihr Magen zusammen.
Doch der Kapitän stand immer noch auf der Brücke und ließ sich nicht wie üblich an Land rudern. Und das kleine Boot fuhr bereits zum Schoner zurück. Warum war die Moroto zur Insel
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