Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tanz unter Sternen

Tanz unter Sternen

Titel: Tanz unter Sternen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Titus Mueller
Vom Netzwerk:
Schiff sank immer schneller. Der Bug war vom Meer verschlungen, Wellen griffen nach dem Brückenaufbau. Die Zwillingsmädchen schrien vor Angst. Wie ein Messer, das in ein Stück Butter schnitt, versank der Koloss im Meer.
    Cäcilie starrte auf das Schiff. Es hob sein Hinterteil, die Schiffsschrauben ragten in die Luft. Die Band spielte Matheus’ Lieblingslied Näher, mein Gott zu dir . Dann plötzlich verstummte die Musik.
    Man hörte nichts, bis auf einen gelegentlichen Schrei von jemandem, der ins Wasser fiel. Die Zeit verging zäh. Kabinenlicht für Kabinenlicht tauchte die Titanic tiefer ins Meer. Eine Traube Menschlein klammerte sich an den Flaggenstock im Heck des Schiffs. Sie versuchten, dem Unvermeidlichen zu entgehen. Andere hafteten wie Läuse dem Bootshaus an.
    Cäcilie hielt Samuel die Augen zu. »Sieh nicht hin«, flüsterte sie. Matheus war dort, er erlitt, was er immer befürchtet hatte. Es war gespenstisch, seinen Albtraum Wirklichkeit werden zu sehen.
    Während das Heck immer höher aufstieg, begann ein Krachen und Ächzen. Möbel, Kohle, Motoren, Klaviere rutschten in Richtung des Bugs, sie zerschlugen donnernd die Innenwände des Schiffs.
    »Mein Tagebuch«, seufzte die Frau im Pelzmantel neben ihr, »und die Fotos, sie sind alle noch in der Kabine! Ich habe vierzig Kleider auf dem Schiff und ein Dutzend Federboas. Wer ersetzt mir das?«
    Das Krachen hielt an. Ein Stück weiter das schräg stehende Deck hinauf steckte sich ein Mann den Pistolenlauf in den Mund und drückte ab. Es gab einen lauten Knall. Der Mann rollte das Deck hinunter, blieb an einer Bank hängen. Überall kletterten die Menschen über die Reling. Sie fassten sich an den Händen und sprangen in die Tiefe.
    Nele wurde von Matheus gepackt und ins Boot gezogen. Die Schiffsbrücke verschwand gurgelnd unter Wasser. Eine Welle griff nach dem Faltboot, sie wollte es vom Schiff wegspülen, riss daran, aber das Boot hatte sich in den Seilen verheddert. Die Männer zerrten daran, zerschnitten die Seile, versuchten, ihr Boot zu befreien, um nicht von der Titanic in die Tiefe gezogen zu werden.
    Wo waren die Zwillinge? Sie meinte, im sprudelnden Wasser einen Rotschopf zu sehen, fasste danach. Matheus zog währenddessen den Vater der Mädchen aus dem Meer. Von allen Seiten kletterten Schwimmer ins Boot, sie drückten die empfindlichen Segeltuchwände herunter.
    Endlich schafften es die Männer, das Boot zu befreien. Sie packten die Riemen und begannen, fortzurudern. Über ihnen rissen Drahtseile, ihre Enden peitschten durch die Luft. Nieten platzten aus den Fassungen. Unter metallischem Kreischen riss ein Schornstein ab und rollte über Deck, er zermalmte alles in seinem Weg, Menschen und Dachaufbauten. Neben ihrem Boot stürzte er ins Meer, er grub einen Krater ins Wasser und warf eine haushohe Welle auf.
    Das Wasser riss Nele aus dem Boot, es schäumte und strudelte. Splitter von Planken fuhren ihr an den Armen entlang. Ein treibendes Tau wickelte sich um ihr Fußgelenk. Während sie sich vom Tau befreite, stach das Wasser sie mit seiner Kälte. Nele tauchte hustend auf.
    Das Boot war einige Meter fortgespült worden. Niemand saß mehr darin, offenbar hatte die Woge sie alle hinausgeschwemmt. Die Seiten aus Segeltuch waren weit heruntergerissen. Um Nele herum heulten und jammerten Frauen, Kinder, Männer. Einige schrien um Hilfe.
    Sie schwamm auf das Boot zu. Da begannen die Lichter der Titanic zu flackern. Sie erloschen.
    Matheus erstarrte vor Kälte. Er hatte das Gefühl, überall taub zu werden. Wasser umspülte ihn und durchdrang seine Kleider. Im schwachen Nachtglimmern der Sterne konnte er nur wenig sehen, die Dunkelheit raubte ihm die Orientierung. Er schwamm im Kreis, keuchte und rang um Atem. Da sah er, ganz nah, die Schiffs wand, er hatte sie zuerst für undurchdringliche Schwärze gehalten.
    Du musst vom Rumpf wegschwimmen, sagte er sich, sonst wirst du mit in die Tiefe gezogen. Nur würde er sich ohne Schwimmweste in der Kälte nicht lange über Wasser halten können. Wie sollte er im Dunkeln ein Möbelstück finden, an das er sich klammern konnte?
    Das war es also, dachte er. Warum nicht gleich beim Schiff bleiben und mit der Titanic in die Tiefe gesogen werden? Dann würde der Tod schneller kommen. Matheus, du hältst dich an Versprechen, oder? , hatte Nele gefragt.
    Das sinkende Schiff war das letzte Stück Zivilisation, er hatte Angst vor der tödlichen Weite des Meeres. Trotzdem bot er allen Mut auf und schwamm mit

Weitere Kostenlose Bücher