Tanz unter Sternen
an. »Wir haben einen Swimmingpool, ein Türkisches Bad, einen Squashplatz und eine Bibliothek.« Er stieg mit ein und wandte sich an den Liftboy: »Deck D, please.« Der Junge zog das Eisengitter zu und betätigte den Knopf, der mit Saloon Deck bezeichnet war. Mit einem kurzen Ruck setzte sich der Fahrstuhl in Bewegung. Samuel klammerte sich an Matheus’ Hand. Matheus beugt sich zu ihm hinunter. »Keine Angst«, sagte er, »uns passiert nichts. Das ist wie ein Kran, weißt du?«
»Wie viele Menschen sind auf dem Schiff?«, fragte Cäcilie.
»Wir sind nicht voll ausgebucht. Durch den Kohlestreik der Bergarbeiter waren viele unsicher, ob wir rechtzeitig genug Kohle für die Überfahrt zusammenbekommen, und haben ihre Reisen verschoben.«
Matheus stutzte. »Aber der Andrang im Hafen! Ich kann mir nicht vorstellen, dass das Schiff leer ist.«
»Von leer kann keine Rede sein.« Der Kabinenjunge schmunzelte. »Es sind sechshundert Passagiere in der ersten und zweiten Klasse an Bord und siebenhundert in der dritten Klasse. Isidor Straus ist beispielsweise hier, kennen Sie ihn? Er ist der Mitbesitzer von Macy’s in New York.«
»Dort würde ich gern einkaufen«, sagte sie, »Macy’s in New York!«
Der Fahrstuhl bremste ab und kam zum Stillstand. Der Aufzugdiener öffnete das Gitter.
»Das ist das Salondeck«, erklärte der Kabinenjunge und führte sie einen Flur entlang. Feiner Teppichboden dämpfte ihre Schritte. Eine Treppe mit hölzernen, polierten Stufen führte in die Höhe. Paneele schmückten die Wände. Der Junge öffnete eine Tür und machte eine einladende Geste. »D dreiundfünfzig, Ihre Kabine.«
Voller Neugierde traten sie ein. Zwei Doppelstockbetten standen im Raum, drei der vier Bettstellen waren weiß bezogen, eines mit einem goldbestickten Tuch bedeckt. Der Kabinenjunge öffnete einen großen Kleiderschrank. Die Innenfächer glänzten. Er erklärte: »Hier können Sie Ihre Sachen unterbringen.«
»Ich packe gleich aus«, sagte Cäcilie mit einem Elan, als sei Auspacken ihre liebste Beschäftigung. Sie war wie ausgewechselt. Seit sie in den Zubringerdampfer gestiegen waren, leuchteten ihre Augen.
Wir sind die ersten, die diesen Raum bewohnen, dachte Matheus. Nach ihnen würden noch viele hier nächtigen, aber sie, Familie Singvogel, weihten die Kabine ein.
In diesem Moment stieß die Titanic einen tiefen rührenden Ton aus, der auf das weite Meer hinausschallte, als wollte das Schiff seine Überlegenheit gegenüber allen anderen Schiffen verkünden. Es röhrte noch zweimal. Die Titanic hatte genug Menschlein verschlungen, sie war satt.
»Hier haben Sie eine Waschgelegenheit«, sagte der Kabinenjunge. Er klappte das Fach eines weiteren Mahagonischranks auf und brachte ein weißes Waschbecken zum Vorschein. Zur Probe drückte er einen Hebel nieder. Klares Wasser strömte aus dem Hahn. »Seife finden Sie in der Schale.«
»Wir haben sogar einen Spiegel«, sagte Cäcilie.
»Wenn Sie mir noch für einen Moment folgen würden?« Der Kabinenjunge führte sie auf den Flur hinaus. »In der ersten Klasse sind einige Kabinen mit Bädern ausgestattet, hier in der zweiten müssen Sie die Waschräume leider mit anderen teilen. Ich hoffe, das ist in Ordnung für Sie.«
Matheus sagte: »Natürlich.«
»Für die Dame – ach, warten Sie.« Er blieb stehen. »Ich habe vergessen, Ihnen zu zeigen, wo sich die Schwimmwesten befinden.«
Schwimmwesten. Matheus packte ein Schwindelgefühl. Er sah das Mittelmeer vor sich, dunkel und tosend. Er spürte den Druck des Rettungsgürtels um seinen Bauch, sah die Seemänner verzweifelt Wasser pumpen. Eilig verdrängte er die Erinnerung. Sie waren auf dem modernsten Dampfer der Welt, er kam frisch aus der Werft, und wenn stimmte, was ihm die Reiseagentin zugesichert hatte, besaß er einen doppelten Stahlboden. Riss die Außenhaut, weil sie auf ein Riff liefen, dann drang immer noch kein Wasser ins Schiff ein. Hier konnte ihm nichts passieren.
Eine Melodie erklang, wie von einem Jagdhorn gespielt. Der Kabinenjunge sagte: »Das ist Fletcher, er geht durch die Decks und kündigt das Abendessen an.«
Wenig später saßen sie im Speisesaal der zweiten Klasse. Sie löffelten Consommé, aßen gebackenen Schellfisch, mit Curry gewürztes Hähnchen und Reis, Frühlingslamm mit Minzsauce, gerösteten Truthahn und Preiselbeersauce. Nur einmal hatte Matheus ähnlich nobel gespeist, das war bei ihrer beider Hoch zeitsessen gewesen. Die weiße Tischdecke war makellos, die Servietten
Weitere Kostenlose Bücher