Taran Bd 4 - Der Spiegel von Llunet
nächsten Kälbchen haben.«
»Und meine Herde?«, schrie Goryon.
»Und meine!«, schrie Gast. »Sie sind so durcheinandergeraten, dass sie keiner mehr auseinanderhalten kann.«
»Fürst Goryon soll die Herde in zwei gleiche Teile teilen«, bestimmte Taran.
»Er soll nicht!«, fiel ihm Fürst Gast ins Wort. »Der wird mir nur die Klappergestelle anhängen! Mir steht es zu, zu teilen!«
»Von wegen!«, protestierte Goryon. »Du wirst mir keines von deinen grobknochigen Viechern andrehen!«
»Fürst Goryon soll die Herde teilen«, wiederholte Taran. »Aber Fürst Gast soll als Erster wählen dürfen.«
»Gut gesprochen!« Smoit brüllte vor Lachen. »Bei meinem Blut! Jetzt hast du sie erwischt! Goryon teilt, und Gast wählt! Hahaha! Man braucht zwei Diebe, um ein ehrenhaftes Geschäft abzuschließen!«
Aeddan und Alarca waren vor Taran und Smoit getreten. »Wer du in Wahrheit bist, ich weiß es nicht«, sagte der Bauer zu Taran. »Aber du hast mir mehr geholfen als ich dir.«
Die Cantref-Fürsten begannen die Herde zu teilen, und Smoits Krieger schickten sich an, nach Caer Cadarn zurückzukehren.
»Oh, Klugheit vom lieben Herrn!«, schrie Gurgi. »Gurgi findet Kühe, kluger Herr weiß, was man mit ihnen anfangen soll!«
»Wenn ich wirklich das Richtige getan habe«, gab Taran zurück, »dann werden Gast und Goryon auf Cornillos Kälbchen warten. Gast sagte, sie werfe immer Zwillinge. Ich kann nur hoffen, dass sie uns nicht enttäuscht.«
Lange nach Einbruch der Dunkelheit erreichten die Gefährten endlich Caer Cadarn. Fflewddur und Gurgi waren so erschöpft, dass sie sich einfach auf ihre Lager fallen ließen. Taran wäre gern ihrem Beispiel gefolgt, aber Smoit nahm ihn am Arm und zog ihn in die Große Halle. »Heute hast du wahrhaftig etwas geleistet, mein Junge«, rief Smoit. »Du hast den Cantref vor einem Krieg bewahrt und mich davor, zu Sülze geschlagen zu werden. Ich weiß zwar nicht, wie lange Gast und Goryon Frieden halten werden. Aber ich habe eines von dir gelernt: Meine Kerker sind nutzlos. Bei meinen Knochen! Von heute an werde ich versuchen lieber zu sprechen als dreinzuschlagen! Aber weißt du, mein Junge«, fuhr Smoit fort und runzelte die Brauen, »mit meinem Verstand ist es nicht weit her. Das braucht man mir nicht zu sagen. Ich fühle mich wohler, wenn ich eine Klinge in der Hand habe. Willst du mir Gunst mit Gunst vergelten? Bleib bei mir im Cantref Cadiffor.«
»Herr«, antwortete Taran, »ich suche zu erfahren, wer meine Familie ist. Ich kann nicht …«
»Familie!«, rief Smoit und schlug sich auf den fetten Bauch. »Ich kann dir die ganze Familie ersetzen. Hör zu«, fügte er etwas leiser hinzu. »Ich bin Witwer und kinderlos. Sehnst du dich nach Eltern? Ich sehne mich genauso nach einem Sohn. Wenn das Horn Gwyns des Jägers mich abberuft, dann gibt es niemanden, der meinen Platz einnehmen könnte. Ich möchte dich wählen und keinen anderen.
Bleibe, mein Junge, und eines Tages wirst du König von Cadiffor sein.«
»König von Cadiffor?« Tarans Herz schlug heftig. Was sollte er noch den Spiegel suchen, da er Eilonwy jetzt einen Königsthron anbieten konnte? Ein stolzeres Geschenk würde er ihr niemals zu Füßen legen können. Taran, König von Cadiffor. Das klang besser als Taran, der Hilfsschweinehirt. Doch plötzlich kühlte sich seine Freude ab. Eilonwy würde vielleicht seine neue Stellung achten. Aber konnte sie ihn auch achten, wenn er seine Suche aufgab, noch ehe sie begonnen hatte? Konnte er denn sich selbst achten? Lange Zeit schwieg Taran. Dann sah er Smoit voller Zuneigung an. »Die Ehre, die du mir anbietest«, sagte er, »schätze ich höher als irgendetwas anderes. Ich möchte sie nur zu gern annehmen.« Er stockte. »Doch ich will den Königsthron lieber als rechtmäßiger Erbe einer adligen Herkunft und nicht als Geschenk.
Es kann ja sein«, fuhr er zögernd fort, »dass ich tatsächlich von edler Abstammung bin. Dann werde ich gerne über Cadiffor herrschen.«
»Was soll das heißen!«, polterte Smoit. »Bei meinen Knochen! Mir ist es lieber, auf meinem Thron sitzt ein kluger Schweinehirt als ein Prinz von Geblüt, der ein Narr ist!«
»Da ist noch etwas«, sprach Taran weiter. »Ich muss die Wahrheit über mich selbst erfahren. Und ich will die Suche nicht einfach abbrechen. Ich wüsste dann nie, wer ich wirklich bin. Mein ganzes Leben lang hätte ich das Gefühl, mir fehlte etwas.«
Bei diesen Worten breitete sich Trauer über Smoits narbiges Gesicht.
Weitere Kostenlose Bücher