Taran Bd 4 - Der Spiegel von Llunet
Vorratshäusern, die scheinbar planlos errichtet waren. Doch als Taran vom Pferd stieg und auf das Wohnhaus zueilte, das in der Mitte stand, erkannte er, dass alle Gebäude untereinander durch überdachte und gepflasterte Wege verbunden waren. Welchen davon er auch gewählt hätte, jeder hätte ihn früher oder später zum Eingang des Wohnhauses geführt, dessen Tür sich sofort öffnete, noch ehe er anklopfen konnte.
»Kommt herein, und herzlich willkommen!«, rief eine Stimme, die spröd klang wie trockene Zweige im Feuer.
Gurgi schlüpfte durch die Tür, um dem strömenden Regen zu entgehen, und Taran sah eine grau gekleidete alte, gebeugte Frau, die ihn zum Herd winkte. Ihr langes Haar war weiß wie die Wolle am Spinnrocken, der an ihrem geflochtenen Gürtel hing. Ihre mageren Beine, die unter dem hochgeschürzten Rock hervorsahen, glichen dünnen, harten Spindeln. Ein Gewebe von Fältchen überzog ihr Gesicht, und ihre Wangen waren verwelkt. Aber trotz ihrer Jahre wirkte sie nicht gebrechlich. Es schien, als habe die Zeit sie nur zäher und trockener gemacht. Ihre grauen Augen waren hell und scharf wie Nadeln.
»Ich bin Dwyvach, die Weberin«, sagte sie, als Taran sich höflich verbeugte und seinen Namen nannte. »Taran, der Wanderer?«, wiederholte sie mit einem herben Lächeln. »So wie du aussiehst, kann man tatsächlich sagen, dass du dich herumgetrieben hast. Jedenfalls mehr, als du dich gewaschen hast. Und das ist so sicher wie Kette und Schuss auf meinem Webstuhl.«
»Ja! Ja!«, schrie Gurgi. »Sieh den Webstuhl zum Weben. Sieh die Knoten und Fäden. So viele, Gurgis armes, zartes Haupt dreht sich mit Wirbeln und Zwirbeln!«
Jetzt erst bemerkte Taran einen hohen Webstuhl, der wie eine riesige Harfe mit tausend Saiten in einer Ecke der Hütte stand. Um ihn herum waren Flachssträhnen in allen Farben aufgeschichtet. Von den Dachsparren hingen Stränge Garn, Wolle und Flachs und an den Wänden fertige Arbeiten in leuchtenden Farben und mit einfachen Mustern oder kunstvoller gearbeitete und mit erlesenen feinen Mustern. Voller Staunen betrachtete Taran die unendliche Vielfalt der Stoffe, dann wandte er sich an die Weberin von Gwenith.
»Dies spricht von einer Kunstfertigkeit, die alles, was ich kenne, weit übertrifft«, sagte er bewundernd. »Wie kann man so etwas nur machen?«
»Wie machen?«, gluckste die Weberin. »Es würde mich mehr Atem kosten, dir das alles zu erzählen, als du Ohren hast zuzuhören. Aber wenn du aufpasst, dann kannst du es ja sehen.«
Sie humpelte zum Webstuhl, kletterte auf die Bank, die davorstand, und begann mit erstaunlicher Kraft das Weberschiffchen hin und her zu werfen und die Pedale zu treten. Kaum, dass sie für einen Moment innehielt, um ihre Arbeit zu begutachten. Schließlich wandte sie sich Taran zu und sah ihn mit ihren grauen Augen scharf an. »So wird das gemacht, Wanderer, so wie alle Dinge, jedes auf seine Art, Faden auf Faden.«
Taran hatte ihr staunend zugesehen. »Das würde ich gerne lernen«, sagte er eifrig. »Das Schmiedehandwerk ist nicht meine Sache, aber vielleicht ist es die Weberei. Ich bitte dich, willst du mich in dieser Kunst unterrichten?«
»Meinetwegen, wenn du mich darum bittest«, erwiderte Dwyvach. »Aber bedenke, es ist etwas anderes, selbst am Webstuhl zu sitzen, als ein schön gewebtes Tuch zu bewundern.«
»Ich danke dir«, rief Taran. »Die Arbeit am Webstuhl fürchte ich nicht. Bei Hevydd dem Schmied scheute ich nicht vor dem heißen Eisen und den Flammen seiner Esse zurück, und ein Weberschiffchen ist leichter als ein Schmiedehammer.«
»Meinst du?«, fragte Dwyvach und kicherte. Es klang, als ob ein Paar Stricknadeln klapperten. »Was willst du also zuerst weben?« Sie blickte ihn scharf an. »Du nennst dich Taran der Wanderer? Taran der Schäbige würde besser passen. Möchtest du dir einen Mantel weben? Dann hast du wenigstens etwas, um deinen Rücken zu bedecken. Und ich kann sehen, wie geschickt deine Finger sind.« Taran war einverstanden.
Am nächsten Tag aber führte Dwyvach die Gefährten, statt mit dem Unterricht zu beginnen, in eine ihrer vielen Kammern, die fast bis zur Decke mit Wolle vollgestopft waren.
»Zieh die Dornen heraus, zupf die Kletten heraus«, befahl sie. »Kämm und krempel die Wolle – aber sorgfältig, Wanderer, sonst spürst du am eigenen Leib, dass dein Mantel aus Disteln statt aus Wolle ist.«
Mutlos betrachtete Taran den riesigen Wollberg, und er zweifelte, ob er ihn jemals würde abtragen
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