Taran Bd 6 - Der Findling: Geschichten aus Tarans Welt
legte ihn um die Schultern des alten Mannes.
»Seid bedankt«, sagte der Alte, wehmütig den Mantel befingernd. »Doch ich kann das nicht nehmen. Ihr werdet es selber brauchen.«
»Brauchen?«, rief Fflewddur aus. »Aber nicht doch«, fügte er hinzu, obwohl seine Lippen bereits anfingen, blau anzulaufen, und seine Nase sich anfühlte, als hätte sie Eiszapfen gebildet. »Nimm ihn, du kannst ihn behalten. Denn um die Wahrheit zu sagen, ich finde den Tag ungemütlich heiß!«
Kaum dass er diese Worte ausgesprochen hatte, erbebte die Harfe, als wäre sie lebendig, spannte sich wie ein überdehnter Bogen, und eine Saite riss mit einem lauten, schrillen Klang.
»Diese verdammte Saite!«, knurrte Fflewddur. »Das muss das Wetter sein.«
Er flickte die Seite und machte sich wieder auf den Weg, zitternd und bibbernd, und spielte dabei, so gut er konnte, um sich warm zu halten.
Sein Weg folgte dem rasch dahineilenden Fluss. Plötzlich hörte er eine Kinderstimme in Not und Angst rufen. Er gab seinem Pferd die Sporen und galoppierte hinunter zum Flussufer. Ein kleines Mädchen war ins Wasser gefallen, und das arme Kind kämpfte vergebens gegen die Strömung, die es mit sich riss.
Fflewddur sprang von seinem Reittier und warf sich laut aufplatschend in den Fluss. Mit wild rudernden Armen und strampelnden Beinen bemühte er sich, das ertrinkende Kind zu erreichen.
»Das alles wäre viel einfacher«, keuchte er, »wenn ich schwimmen könnte!«
Dennoch kämpfte er sich weiter, prustend und spuckend, bis er das Kind gepackt hatte. Sich so gut er konnte über Wasser haltend, wandte er sich dem Ufer zu; endlich fanden seine langen Beine Grund im Flussbett, und er trug das Mädchen sicher ans trockene Land.
Während er die ganze Zeit beruhigend auf die Kleine einredete, obgleich ihm das Wasser aus Nase, Ohren und Mund lief, kam er schließlich an die Hütte, wo sie zu Hause war. Dort nahmen der Bauer und seine Frau ihre Tochter freudig in die Arme und den durchnässten Fflewddur ebenso.
»Arme Leute sind wir«, rief die Bauersfrau. »Wie können wir Euch das lohnen? Alles, was wir haben, ist Euer, und dies ist ein kleiner Lohn dafür, dass Ihr unseren größten Schatz gerettet habt.«
»Reden wir nicht mehr darüber«, sagte Fflewddur, dessen Gesicht aufleuchtete, als er sich für seine Geschichte erwärmte. »Erstens hatte ich ohnehin vor, ein Bad im Fluss zu nehmen. Und was den Rest betrifft – ein Kinderspiel! Ein Fflam schwimmt wie ein Fisch! Mit nur ein paar kräftigen Schwimmzügen –«
Die Harfe zuckte heftig, und zwei Saiten sprangen mit ohrenbetäubendem Lärm.
»Verflixt und zugenäht!«, knurrte Fflewddur. »Was ist nur mit diesen blöden Saiten los? Die Feuchtigkeit, wette ich.«
Nachdem er von der Familie Abschied genommen hatte, zog er ein paar Tage glücklich und zufrieden durch die Wälder und kam schließlich an die Burg eines edlen Herrn. Den Wachen am Tor rief Fflewddur zu, dass ein Barde gekommen sei mit Musik und Lustbarkeit, worauf sie ihn willkommen hießen und ihn in die Große Halle des Fürsten führten.
Kaum hatte Fflewddur zu spielen begonnen, als der Fürst zornig von seinem Thron aufsprang.
»Hör auf!«, schrie er. »Du jaulst wie ein Hund, dem man auf den Schwanz getreten hat, und deine Harfe klappert schlimmer als ein Kessel mit Steinen! Fort mit dir!«
Bevor Fflewddur etwas erwidern konnte, schnappte sich der Fürst einen Knüppel, packte den Harfner am Kragen und begann ihn mit aller Kraft zu verprügeln.
»Au! Aua! Passt doch auf!«, rief Fflewddur, der vergeblich versuchte, den Hieben zu entgehen und gleichzeitig seine Harfe zu schützen. »Ich bin ein König! Von dem mächtigsten Reich in Prydain! Ihr werdet diesen Tag bereuen, wenn mein Heer vor Euren Toren steht! Tausend Krieger! Speerkämpfer! Bogenschützen! Angeführt von einem Fflam!«
Während die Harfensaiten rechts und links rissen, packte der Fürst Fflewddur am Schlafittchen und warf ihn zum Tor hinaus, wo er kopfüber im Dreck landete.
»Ein Fflam gedemütigt!«, rief Fflewddur, als er sich mühsam wieder aufrappelte. »Beleidigt! Geprügelt wie ein Hund!« Er rieb sich die schmerzenden Schultern. »Also, eines ist klar«, seufzte er. »Manche Leute haben kein Ohr für Musik.«
Da sein Hintern zu sehr schmerzte, um zu reiten, machte er sich, so gut es ging, zu Fuß auf den Weg, und sein Pferd trottete hinter ihm her. Er hatte erst eine kleine Strecke zurückgelegt, als eben jener Fürst mit einem Gefolge von
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