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Taran Bd 6 - Der Findling: Geschichten aus Tarans Welt

Taran Bd 6 - Der Findling: Geschichten aus Tarans Welt

Titel: Taran Bd 6 - Der Findling: Geschichten aus Tarans Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lloyd Alexander
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Tage zogen sie weiter. Grauschwinge zeigte den Weg, und Braunhorn trug Coll durch Flüsse und über schroffe Bergpfade. Endlich, bei Nacht, kamen sie an das Dunkle Tor von Annuvin. Hier erspähte die Eule einen verborgenen Durchgang, und der Hirsch, trotz bebenden Herzens und zitterndem Geweih, trug Coll den gewundenen, tückischen Pfad hinab. Lautlos wie Schatten stahlen sie sich ungesehen in die Tiefen von Arawns Reich.
    Grauschwinge war vorausgeflogen, um herauszufinden, wohin man Hen Wen gebracht hatte. »Schlechte Nachrichten!«, schrie die Eule, als sie wiederkehrte. »Sie ist in einer tiefen Grube gefangen, bewacht von Jägern und wilden Gwythaints. Sie ist so verängstigt, dass sie nicht sprechen kann. Darum hat Arawn auch keines ihrer Geheimnisse erfahren. Doch jetzt will er sie töten.«
    »Zuerst muss er mich töten!«, rief Coll und sprang vom Rücken des Hirsches. »Ich werde für mein Schwein kämpfen bis zum Äußerstem!«
    »Warte!«, beschied ihn Grauschwinge. »Lass mich erst sehen, was ich tun kann.«
    Grauschwinge stieg in die Luft auf. Als die Gwythaints die Eule sahen, kreischten sie vor Blutgier und schwangen sich auf, ihr zu folgen.
    Ermutigt von Grauschwinges Beispiel machte Braunhorn einen Satz nach vorn. Die Jäger schrien, zogen ihre Schwerter und verließen die Grube, um dem Hirsch zu folgen.
    Colls Weg war nun frei. Er rannte los und sprang in die unbewachte Grube, wo Hen Wen ihn mit einem freudigen Quieken begrüßte. Verzweifelt suchte Coll nach einem Fluchtweg für sie beide. Es gab keinen. Die Grube war zu tief, die Wände waren zu steil. Coll hörte das Waffengeklirr der zurückkehrenden Jäger, den Flügelschlag der Gwythaints. Die Lage war hoffnungslos. Coll stellte sich schützend über sein Schwein, bereit, ihr Leben so teuer wie möglich zu verkaufen. Speere pfiffen herab, Pfeile zischten, und Coll wusste, dass das Ende gekommen war.
    Plötzlich tat sich vor seinen Füßen die Grube auf. Da stand Schwarznase und hinter ihm Dutzende und Hunderte und Tausende von Maulwürfen.
    »Schnell!«, piepste Schwarznase. »All unsere Stämme und Sippen, unsere Verwandtschaften und Familien haben für dich gegraben. Unser Tunnel wird euch in die Freiheit führen!«
    Coll packte Hen Wen, schob sie in die Öffnung des Tunnels und krabbelte hinterher. Hinter ihm schlossen Schwarznase und die anderen die Öffnung vor den Jägern. Bei jeder Biegung, von allen Seiten, den ganzen Weg lang bejubelten die Maulwürfe Coll und sein weißes Schwein.
    Fern von Annuvin endete der Tunnel, und sie stiegen hinauf ans Tageslicht. Grauschwinge und Braunhorn, die unbeschadet entkommen waren, gesellten sich wieder zu ihnen, und so machten sie sich auf den Heimweg zu Colls Hof. Als sie schließlich den Rand der Wälder erreichten, hielten die Eule und der Hirsch inne.
    »Lebe wohl, Coll«, sagte Grauschwinge. »Wenn du je Augen brauchst, um in der Dunkelheit zu sehen, rufe nach mir.«
    »Lebe wohl, Coll«, sagte Braunhorn. »Mein Herz ist immer noch furchtsam, aber wenn du je einen schnellen Fuß brauchst, rufe nach mir.«
    »Und wenn du je eine fleißige Mannschaft zum Graben brauchst«, piepste Schwarznase, der sich in einer Falte von Colls Mantel verkrochen hatte, »vergiss uns nicht.«
    »Lebt wohl«, antwortete Coll. »Ich werde keinen von euch vergessen.«
    Er trat aus dem Wald ins Freie. Die Stimmen seiner Freunde verblassten hinter ihm, und er wusste, zu seinem Bedauern, dass seine Fähigkeit, ihre Sprache zu verstehen, geendet hatte. Hen Wen hielt auf ihren kurzen Schweinsfüßen mit ihm Schritt, als er zu seinem Hof eilte.
    Verblüfft blieb Coll stehen. Kein Unkraut war zu sehen; auch, wie er mit einem raschen Blick feststellte, kein Zeichen von Würmern in den Kohlköpfen, kein Mehltau auf den Bohnen und keine Blattläuse auf den Apfelbäumen. Doch er war eher beunruhigt als erfreut, denn Rauch kräuselte sich aus dem Kamin seiner Hütte.
    »Ach«, rief Coll betrübt, »ich habe mein Schwein gefunden und meinen Hof verloren.«
    Er öffnete die Tür. Ein Feuer prasselte im Herd, und in Colls Stuhl saß ein graubärtiger Fremder, so alt, dass seine Hände so brüchig wie Herbstblätter wirkten, sein Gesicht so zerfurcht wie die Spuren des ersten Eises im Winter. Obgleich Coll ein tapferer Mann war, trat er einen Schritt zurück vor der Flamme der Macht in den wässrigen Augen des Fremden.
    »Willkommen daheim, Coll«, sagte der Alte, ohne sich aus dem Stuhl zu erheben. »Wenn ich früher hierher

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