Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers
Noch immer dröhnte es in seinem Schädel, und in seinem rechten Bein, das der Bär mit zwei Metallstreben, Segeltuch und reichlich Tau fixiert hatte, pochte der Schmerz. Aber zumindest war ihm nicht mehr kalt. Wie er sah, hatte ihm Bromm während seiner erneuten Bewusstlosigkeit Mantel, Harnisch, Hemd und Stiefel ausgezogen und zum Trocknen ausgebreitet. Dann hatte er mithilfe einiger Planken aus den Resten des Schiffsrumpfes ein Lagerfeuer entfacht, das dem Jungen zumindest ein wenig Wärme spendete. Tarean stöhnte und versuchte sich aufzurichten, doch er fühlte sich noch immer zu schwach.
»Es tut mir leid, aber es musste sein«, meldete sich Bromm von der anderen Seite des Lagerfeuers zu Wort, als er bemerkte, dass Tarean wach war. »Ich fürchte allerdings, dass, selbst wenn der Knochen wieder richtig verheilt, das Bein lahm sein wird. Ich bin kein Arzt, und dies hier ist sicher kein Spital.« Die vage Bewegung des Bären umfasste das Dunkel der Höhle, dann seufzte er mitfühlend.
»So kurz vor dem Ziel …«, murmelte Tarean, und ihm wurde beinahe schlecht bei dem Gedanken. »Wie weit können wir noch von At Arthanoc entfernt sein? Zwei, vielleicht drei Tagesreisen?«
»Wenn uns der Sturm nicht in die falsche Richtung getrieben hat«, wandte Bromm schwach ein.
»So oder so ist hier das Ende unserer Reise. Ich kann nicht laufen, und selbst wenn du mich trägst und wir irgendwie einen Weg nach draußen finden … Soll ich so dem Hexer gegenübertreten? Ein Krüppel auf dem Rücken eines Bären?« Seine Gedanken wanderten zu Kilrien, dem Amulett, das ihm Iegi geschenkt hatte, und er wünschte sich, er hätte es noch. Dieser kurze Gedanke verselbstständigte sich und führte ihn weiter zu Auril, deren Schicksal ungewiss war und noch deutlich schlimmer aussehen mochte als das seine. Er fing wieder an zu zittern.
»Was unser drängendstes Problem angeht …«, meinte Bromm unterdessen. »Ich habe mich ein wenig umgeschaut. Durch den Spalt in der Decke können wir nicht hinausklettern, aber es scheint ein oder zwei Ausgänge aus der Höhle …«
»Bromm«, unterbrach ihn Tarean.
»Hm?«
»Meinst du, Auril lebt noch?«
Der Bär verfiel eine Weile in Schweigen. Dann brummte er leise. »Ich hoffe es … mit jeder Faser meines Körpers hoffe ich es. Aber es müsste wohl ein Wunder geschehen sein, denn wann hat man schon von einem gehört, der einen Sturz vom Himmel überlebt hat …«
Es müsste wohl ein Wunder geschehen sein … , echoten die Worte des Bären in Tareans Geist. Oh, Indra, Jesup und Vazar, bitte lasst sie überlebt haben. Bitte lasst sie alle überlebt haben. Und wenn es mich mein Bein kostet, und wenn meine Queste damit zu Ende sein mag, dann soll das der Preis sein, den ich freudig zahle …
»Andererseits ist Auril wie eine Wildkatze«, versuchte Bromm ihn aufzuheitern, »ungezähmt, zügellos, und sie hat sieben Leben …« Er brach wieder ab und schnaufte aus tiefster Seele.
Zwischen ihnen prasselte und knackte das kleine Feuer. Ansonsten war eine Weile lang kein Laut zu hören.
»Du sagtest, es gäbe weitere Ausgänge aus dieser Höhle«, nahm Tarean schließlich das Gespräch wieder auf.
Der Bär nickte. »Im hinteren Bereich beginnen zwei Tunnel. Ich weiß nicht, wie weit und wohin sie führen, aber alles ist besser, als hier unten zu warten, bis uns die wenigen Rationen ausgehen, die unsere Bruchlandung überstanden haben. Vielleicht haben wir Glück und einer der Wege bringt uns zurück an die Oberfläche.«
»Dann sollten wir so bald wie möglich aufbrechen.«
»Ja, nachdem wir ein paar Stunden geschlafen haben. Die letzte Nacht und der Tag bis jetzt waren anstrengend, und wenn ich dich durch die Stollen tragen soll, brauche ich all meine Kräfte.«
»In Ordnung«, nickte Tarean. Aber er glaubte nicht daran, dass er in dieser Stunde der Not viel Schlaf finden würde.
In der Tat schlief der Junge die Nacht über unruhig. Obwohl ihm der Bär aus dem Segel und zwei Decken, die er aus den Trümmern der Kajüte des Flugschiffs geborgen hatte, ein leidlich bequemes Lager bereitet hatte, ließen ihn die Schmerzen in seinem Bein nicht zur Ruhe kommen, und wann immer er sich bewegte, um sich in eine angenehmere Schlafposition zu drehen, flammten sie erneut auf. Und in den wenigen Stunden, in denen es ihm tatsächlich vergönnt war, die Augen zu schließen, wurde er von Albträumen geplagt, die von einem mächtigen schwarzen Drachen handelten und von Auril, die hilfesuchend ihre Arme
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