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Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers

Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers

Titel: Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies , Bernd
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weitere Höhle erreichten. Und diese stellte alles in den Schatten, was Tarean an Wundern auf seiner bisherigen Reise durch Endar begegnet war.
    Die goldbraunen Höhlenwände erweckten den Eindruck, aus geschmolzener Bronze zu bestehen, und über ihren Köpfen erstreckte sich eine gewaltige Kuppel, die über und über mit Tropfsteinen unterschiedlichster Größe und Form bedeckt war. Schlanke Säulen erhoben sich vom Erdboden bis zur Decke, und überall glitzerte es, als sei der Stein von Tausenden winziger Silberadern durchzogen. Denn in der Höhle war es keineswegs dunkel. Vielmehr wurde der Dom von zahllosen Lichtquellen erhellt, die alle aus demselben Kristall zu bestehen schienen, wie die Kugeln an den Spitzen der Stäbe ihrer Begleiter.
    Der Grund dafür enthüllte sich dem staunenden Jungen, der für einen Moment sogar Fieber und Schmerz vergaß, als sie eine breite natürliche Rampe zum Grund der Höhle hinabschritten. Ihr Inneres beherbergte eine Stadt! Er hatte sich in all den totenstillen Höhlen und Tunneln bereits gefragt, ob die sechs Unterirdischen, die sie begleiteten, wohl die Einzigen ihrer Art waren, doch nun wurde er eines Besseren belehrt. Die gesamte Höhle war voll von den mächtigen, steinernen Wesen. Sie hockten in Löchern in den Wänden, saßen am Ufer grünlich schimmernder, mit kristallklarem Wasser gefüllter Felsenbecken und wandelten zwischen den haushohen Gesteinsblöcken am Boden umher – die sehr wohl Häuser sein mochten, soweit Tarean das beurteilen konnte.
    Ihre Führer schritten eine Art Hauptstraße entlang, und überall dort, wo sie vorbeikamen, hielten die Unterirdischen in ihrer Beschäftigung inne, wandten sich um oder hoben die haarlosen Schädel, um stumm und mit glühenden Augen ihr Vorüberziehen zu verfolgen. Überhaupt war es gespenstisch still in der Höhle. Die massigen Geschöpfe gingen ihrem Tagewerk mit einer erstaunlichen Anmut und Lautlosigkeit nach. Und obschon viele von ihnen in kleinen Gruppen beieinanderstanden, war nirgendwo auch nur die Andeutung von etwas zu hören, das ein Gespräch hätte sein können, und dies, obwohl sie, wie er wusste, durchaus imstande waren, Laute von sich zu geben. Vielleicht müssen sie nicht miteinander sprechen, um sich zu verstehen, dachte Tarean.
    »Wohin gehen wir?«, machte der Bär seinem Unwohlsein Luft. »Sind wir bald da?«
    »Geduld«, lautete die schlichte Erwiderung des Wortführers ihrer Gruppe, der zwar einsilbig sein mochte, im Vergleich zu seinen Gefährten aber immer noch unglaublich gesprächig war.
    Ihr Weg führte sie einmal quer durch die Höhlenstadt der Unterirdischen bis zur Rückwand des Felsendoms, die aussah wie ein gewaltiger, zu Stein gewordener Wasserfall. Kaskaden aus Tropfstein ergossen sich von der Decke herab zur Erde, mal in schmalen Rinnsalen, mal in breiten Strömen, und am Fuße der Wand lag eine ovale Öffnung, aus der goldenes Licht fiel. Dahinter schien sich ihr Ziel zu befinden, denn dorthin wandten sich die Steinernen.
    An der Pforte blieben vier der sechs Unterirdischen zurück. Nur ihr Anführer und der Träger von Tareans Trage begleiteten sie weiter. Zu viert schritten sie eine schmale Rampe innerhalb des Wasserfalls hinauf, bis sie eine kleinere Höhle erreichten. Auch hier wirkten die Wände wie gegossen, und zum ersten Mal sah Tarean, dass die augenscheinlich sehr asketisch lebenden Geschöpfe ihre natürliche Umgebung durchaus mit ihrer Handwerkskunst schmückten, denn entlang der Wände verliefen Einlegearbeiten aus silbernen Schriftzeichen, die dem Jungen vollkommen unverständlich waren und die doch seltsam vertraut wirkten.
    In der Mitte des Raumes befand sich ein Felsenbecken. Aber es war kein Wasser in ihm. Es erweckte vielmehr den Eindruck, als sei es randvoll mit flüssigem Licht gefüllt. Die Oberfläche glitzerte wie ein Meer aus Sternen, und es lag eine seltsame Spannung in der Luft, wie auf einem freien Feld an einem schwülen Sommernachmittag, bevor ein reinigendes Gewitter losbricht. Am fernen Ende des Beckens stand ein Steinerner, gehüllt in eine Robe aus flüssigem Gold.
    »Wo sind wir?«, fragte Bromm, als ihr Führer ihnen gebot, stehen zu bleiben.
    »Heilung«, war das einzige Wort, das er als Antwort erhielt.
    »Wir nennen es das Bad der Tränen«, sprach der Güldengewandete auf einmal mit erstaunlich klarer Stimme, »denn in diesem Becken haben wir die Tränen des letzten Kristalldrachen aufgefangen, die dieser vergoss, als er das Leid sah, das die

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