Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers
Schlafen zuzuschauen?«
»Nein«, sagte der Steinmensch schlicht.
Der Junge hatte keine Ahnung, ob es sich um Câch’drokk oder ihren Führer oder einen völlig anderen Bewohner der Steinernenstadt handelte, denn noch hätte er sie nicht mal auseinanderhalten können, wenn sie direkt nebeneinander aufgereiht gewesen wären. »Bist du Câch’drokk?«, fragte er daher.
»Nein«, lautete die wortkarge Antwort.
»Du hast uns gestern hierher geführt?«
»Ja.«
»Na schön.« Zufrieden richtete sich Tarean auf. Er befand sich in einer der kleinen Seitenkammern, die ebenso gut auf natürliche Weise in der Wand der Haupthöhle entstanden wie von den Steinernen mit bloßen Händen herausgegraben sein mochten. Er hätte es anhand der seltsamen Beschaffenheit der Wände hier nicht sagen können. Sein Lager sah aus wie der fleischige Schirm eines monströsen Pilzes, doch ungeachtet des seltsamen äußeren Eindrucks war es außerordentlich bequem. Überhaupt hatte Tarean zum ersten Mal, seit sie Dankwarts Boot verlassen hatten, das Gefühl, eine wirklich erholsame Nacht verbracht zu haben – wenn es denn tatsächlich Nacht gewesen war draußen an der Oberfläche.
Tarean konnte sich nicht mehr daran erinnern, wie er das Bad der Tränen verlassen hatte, vielleicht war er auch ohne Bewusstsein gewesen, doch der Priester, oder welche Stellung Câch’drokk auch immer in der Gesellschaft der Unterirdischen innehaben mochte, hatte nicht zu viel versprochen. Er konnte sein Bein ohne jeden Schmerz bewegen, sein Fieber war ebenfalls verschwunden, und überhaupt fühlte er sich so erfrischt und bereit zu neuen Taten, wie seit dem Tag nicht mehr, da er über die Zugbrücke von Dornhall spaziert war, um hinauf zum Wallhorn zu steigen.
Der Unterirdische stand auf und ging zum Eingang der Kammer. »Komm.«
»Wohin?«
»Kreis.«
Der Junge hob fragend die Augenbrauen. »Ein Kreis? Was willst du mir damit sagen?«
Natürlich bekam er keine Erklärung. Sein Gegenüber schienen Sätze, die mehr als ein Wort enthielten, zu überfordern. Er winkte Tarean ungeduldig zu. »Komm.«
Gleichmütig zuckte dieser mit den Schultern, schnallte sich sein Schwert um und folgte dem Steinernen ergeben nach draußen. Dort traf er auf Bromm, der auf einem Sims lag und offensichtlich über seinen Schlaf gewacht hatte. Doch so hartnäckig sich der Bär letzte Reste von Misstrauen gegenüber ihren grauhäutigen Wohltätern bewahrt hatte, letzten Endes war die Müdigkeit wohl doch stärker gewesen, denn im Augenblick hatte er alle Viere von sich gestreckt und schnarchte. Tarean lächelte. Der gute alte Bromm … »Lässt du ihn nachher wissen, wo ich bin? Sonst verwüstet er noch die ganze Stadt auf der Suche nach mir«, bat er den Unterirdischen.
»Ja.«
Sie wandten sich nach links und folgten eine Weile den Straßen der Stadt, bis ihr Weg auf einem erhöht liegenden Rund endete, von dessen Rand aus man das Treiben in der ganzen Höhle gut überblicken konnte. Sechs Steinerne erwarteten ihn dort, jeder von ihnen in ein bodenlanges Gewand gehüllt, das an eine Amtsrobe erinnerte und, wie Tarean staunend bemerkte, vollständig aus winzigen Metallplättchen zu bestehen schien, die glatt und glänzend an ihren Körpern herabfielen. Die Plättchen waren aus unterschiedlichen Metallen gegossen, sodass sich Muster aus Gold und Silber, Blau und Grün auf den Gewändern abzeichneten und eine Unterscheidung ihrer Träger leicht machte. Nur eine Robe war vollständig aus Gold – das musste Câch’drokk sein.
Dieser ergriff auch als Erster das Wort. »Willkommen in Tiefgestein, Tarean.« Er ließ offen, ob er damit die Stadt oder ihr Reich meinte. »Nun, da du genesen bist, können wir uns unterhalten. Sicher hast du Fragen, die ich dir beantworten kann, und mehr noch haben wir Fragen, auf die wir uns eine Antwort wünschen.«
Der Junge räusperte sich, leicht befangen angesichts der Tatsache, dass er hier vermutlich vor den Würdenträgern dieser Gesellschaft unter der Erde stand. »Nun, zunächst einmal habt Dank für die freundliche Aufnahme und meine Heilung. Ich stehe in Eurer Schuld, und wenn ich Euch irgendwie zu Diensten sein kann, so lasst es mich wissen.«
Der Unterirdische hob die Hand. »Es ist kein Dank vonnöten. Wir haben gerne geholfen. Vor allem einem Menschensohn, dessen Erscheinen uns alle sehr … neugierig gemacht hat.«
»Neugierig?«, fragte Tarean.
Câch’drokk deutete auf sein Schwert. »Wir alle spüren, dass dieser Waffe eine
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