Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers
fluchte. »Kannst du den Stein schmelzen?«, fragte er seinen Gefährten.
Dieser legte die Hand auf das schwarze Gemäuer und verzog tatsächlich einmal das steinerne Gesicht, bevor er den Kopf schüttelte. »Nein.«
»Warum nicht? An der Außenmauer ging es doch?«
»Schmerz«, war alles, was der Unterirdische antwortete.
»Na schön«, knurrte Bromm. »Dann müssen wir das Hindernis auf altmodische Art bezwingen.« Er stellte sich vor den Eingang, bereit, sein immenses Körpergewicht als Ramme einzusetzen, und sah den Unterirdischen erwartungsvoll an. »Auf drei, ja? Eins … zwei …«
Sein Gefährte stieß beide Arme nach vorn, und seine steinernen Fäuste donnerten gegen die Türflügel. Mit einem Dröhnen sprangen diese nach innen auf, und Bromm sah noch die armdicken Splitter eines Riegels durch die dahinterliegende Halle fliegen.
»Nicht schlecht«, meinte er, als sie in die Eingangshalle eindrangen.
Auf der Treppe am fernen Ende der Halle tauchte ein einzelner Grawl auf und kam ihnen langsam die Stufen hinab entgegen. Sein Fell war schwarz und wirkte an einigen Stellen angesengt, und auf der breiten Stirn trug er ein rotes Mal in Form einer Wolfspfote. In den Klauen hielt er eine riesige Doppelaxt. »Keinen Schritt weiter.«
Bromm blinzelte überrascht. Tareans Schwarzpelz! »Bist du nicht bei der Explosion von Karnos Haus ums Leben gekommen?«, grollte er. »Mir war, als hörte ich deine Todesschreie.«
»Manchmal bekommt man nicht, was man sich wünscht«, erwiderte der Wolfskrieger boshaft, »sondern was man verdient.« Er bellte einen knappen Befehl, und hinter ihm trat ein Dutzend Grawls aus dem Dunkel.
Bromm senkte den Kopf und spannte die gewaltigen Muskeln an. »Wir werden sehen …«
Fassungslos stand Tarean vor dem Thron des Hexenmeisters und starrte das geisterhafte Abbild seines Vaters an. Sein Herz pochte bis zum Hals. »Was tust du hier?«, stieß er hervor, und im gleichen Moment fürchtete er die Antwort, die er auf seine Frage erhalten mochte.
»Ich habe auf dich gewartet, mein Junge«, ertönte da eine Stimme – in seinem Rücken.
Erschrocken zuckte Tarean zusammen und wirbelte herum.
Auf der Galerie zu seiner Linken stand plötzlich ein Mann. Er trug eine bodenlange, dunkelblaue Robe, und sein graues, scharf geschnittenes Gesicht wurde von wallendem, weißem Haar umrahmt. In seinen violetten Augen schien ein unheiliges Feuer zu glühen, und seine ganze Erscheinung strahlte eine Bosheit aus, die sich wie mit Eisdolchen in Tareans Eingeweide bohrte.
»Calvas«, keuchte er und packte Esdurial abwehrend mit beiden Händen.
Der Hexenmeister schritt langsam näher. »Ja, so nennt man mich bisweilen. Tyrann rufen mich andere, Meister flüstern ehrerbietig meine Diener, und einige sehen in mir gar einen … Vater.« Er legte mit geheuchelter Rührung die Hand aufs Herz.
Tareans Blick huschte zu der weißen Gestalt auf dem Thron, und er sah, wie eine einzelne Träne über das schöne, strenge Gesicht der Erscheinung lief, während diese langsam durchscheinend wurde und verging – so wie damals auf dem Friedhof von Ortensruh. Und mit einem Mal schwankte der Junge und spürte, wie ihm die Sinne schwanden, als er in der Andeutung des Hexers die furchtbare Täuschung erkannte, der er möglicherweise von Anfang an erlegen war. Die Vision, die Träume, sein fester Glaube, einem ihm vorherbestimmten Weg zu folgen … sollte all das nur Teil eines perfiden Ränkespiels des Hexers gewesen sein? »Nein«, flüsterte er heiser vor Zorn und Entsetzen. »Das kann nicht wahr sein.«
Der Hexer lächelte böse, als habe er Tareans Gedanken gelesen. »Oh doch, mein Junge. Es ist wahr. Ich war es, der dich nach At Arthanoc rief. Und ich war es auch, der dich unbehelligt mein Reich durchqueren ließ.«
Tarean schüttelte in wilder Verzweiflung den Kopf. »Das glaube ich Euch nicht. Das könnt Ihr niemals geplant haben.«
»Tatsächlich?«, erwiderte der Hexer mit milder Überraschung, während er den schmalen Steg über den Schlund überquerte.
»Warum sonst waren uns Eure Schergen ohne Unterlass auf den Fersen? Mehr als einmal hätten sie uns beinahe getötet. Dann wären meine Mission und Euer vorgeblicher Plan gescheitert.«
Calvas hob die Hand zum Einwand. »Nach Osten getrieben haben sie euch. So lautete ihr Befehl. Aber ich nehme an, du spielst auf den unerfreulichen Überfall in Thal an.«
»Und auf den Drachenangriff …«
Das Gesicht des Hexers verhärtete sich, und seine Stimme
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