Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers
für mich war, dass eine Machtquelle, die ich seit sechzehn Jahren nicht mehr gespürt hatte, vor einigen Wochen erneut auftauchte und meinen Blick gen Bergen zog. Und siehe, ich fand dort nicht nur das Schwert Anreons, sondern auch den Sohn des so genannten Fluchbringers. Was aber könnte passender sein, als dass mir der Erbe des Mannes, der mir einst den Weg geebnet hat, jetzt zum endgültigen Sieg verhelfen würde? Also sandte ich dir das Zeichen, nach dem du dich dein ganzes Leben gesehnt hattest. Und auch den Albenkönig vermochte ich zu täuschen: Nur vier kurze Zeilen, gesprochen von seinem ach so wertvollen Wasser des Sehens, dem auch ich einst diente: Der Sohn des Fluchbringers geht nach Osten. Das Drachenfeuer brennt in der Halle aus Eis. « Calvas lächelte böse. »Und diesmal ging er mir in die Falle. Die Verlockungen einer möglichen Schicksalswende waren zu groß. Also ließ er zu, dass du dich mit dem Schwert deines Vaters zu mir auf den Weg machtest. Er selbst versammelte derweil im Geheimen, wie er glaubte, alle verbliebenen Verbündeten, um sich auf abgelegenen Pfaden anzupirschen, hoffend, dass ein Tor wie du, ausgestattet mit einer machterfüllten Waffe, genug Aufsehen erregen würde, um meine ganze Aufmerksamkeit auf sich zu lenken.« Der Hexer sprang auf und deutete mit seinem knochiger Finger auf Tarean. »Genau das warst du für deine Freunde da draußen! Ein Ablenkungsmanöver! Der lächerliche Versuch, ihren Marsch vor mir zu verbergen, um mich wehrlos in meiner eigenen Feste anzutreffen. Aber sie sind damit gescheitert! Und diesmal wird mein Sieg vollkommen sein! Erzittert vor der Macht von At Arthanoc!«
Er riss beide Arme hoch und rief ein einzelnes Wort. Auf der oberen Plattform hinter dem steinernen Thron erschien ein schwarzes Monstrum von einem Wolf. An seinem Körper leckten hungrige Flammen empor, und in seinen glutroten Augen loderte ein Hass, der jeden Sterblichen verbrennen musste. Für einen schrecklichen Moment sah der Grimmwolf Tarean direkt in die Augen. Dann hob er den Kopf, und ein lang gezogenes, unirdisches Heulen drang aus seiner Kehle, erfüllte den Raum und wurde über die Burgmauern und die Ebene getragen.
Draußen auf dem Feldherrenhügel tätschelte Wilfert den Hals seines nervös mit den Ohren zuckenden Pferdes. Sein grimmiger Blick war auf die Mauern von At Arthanoc gerichtet. »Es ist zu ruhig«, murmelte er. »Wo sind Calvas’ Truppen? Er wird seine Festung niemals völlig ohne Schutz belassen haben, doch unsere Späher haben in einem Umkreis von zehn Meilen keine Spur von einem Wolfling gesehen.«
»Ihr glaubt, es ist eine Falle?«, fragte sein Kampfgefährte Sinjhen, der neben ihm auf seinem gehörnten, weißen Ross saß. Er trug eine jadegrüne Plattenrüstung, und obwohl sie keineswegs so prunkvoll war wie die des Hochkönigs, der auf seinem gewaltigen, gepanzerten Kaltblüter alle überragte, erschien es Wilfert, als hätte sich jeder der Anwesenden für den letzten Kampf gegen den Hexer besonders eindrucksvoll herausgeputzt.
»Mein Gefühl sagt mir ja, auch wenn mein Auge dafür kein Anzeichen entdeckt. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass uns Calvas eine Antwort auf unser Erscheinen schuldig bleiben wird.«
»Eines ist klar«, meinte Sinjhen, »so schwer es uns fallen wird, über den Abgrund und die Brücke hinweg die Burg zu erstürmen, so schwer hat es der Hexer, einen raschen Gegenangriff durchzuführen.«
Ein Hauptmann zu Pferde kam herangeprescht. »Hohe Herren, die Artillerie steht bereit.«
Jeorhel von Albernia nickte. »Dann gebt das Signal. At Arthanoc soll in Trümmern liegen.«
In diesem Augenblick vernahmen sie plötzlich ein tiefes, schauderhaftes Heulen, die düstere Umkehrung der hehren Trompetenklänge, die ihren Aufmarsch begleitet hatten.
Wilferts Nackenhaare stellten sich auf. »Der Grimmwolf …«, knurrte er, und er bemerkte, dass die Soldaten zu seinen Füßen unsichere Blicke austauschten. Dann aber ging ein kollektiver Ausruf des Schreckens über tausend Lippen, als sie sahen, wie die Luft vor den Mauern der Burg auf einmal zu flimmern anfing, und dort, wo soeben noch ein tiefer Abgrund gewesen war, titanische schwarze Mauern und Türme sichtbar wurden. Ein zweiter und ein dritter trutziger Verteidigungsring erschienen, als der Hexer den magischen Vorhang der Täuschung niederriss und sich At Arthanoc in seiner ganzen furchtbaren Größe enthüllte. Und während Wilfert noch zu begreifen versuchte, was er dort
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