Tarean 01 - Sohn des Fluchbringers
Schnallen seines Brustpanzers löste. »Nun stell dich vor mich. Ich verknote unsere Gürtel, nur zur Sicherheit.«
Tarean wurde ein wenig flau im Magen, als er das hörte, während er gleichzeitig hinab in den Abgrund starrte, der sich vor ihm auftat. »Hast du Erfahrung darin, gemeinsam mit einer anderen Person zu fliegen?«, fragte er Iegi.
Der Taijirin stellte sich hinter ihn und umschlang ihn mit seinen kräftigen Armen. »Um der Wahrheit die Ehre zu geben: Nein. In einer Gesellschaft, in der jeder fliegen kann, ergibt sich nicht oft die Notwendigkeit, dass man eine andere Person tragen muss. Aber keine Angst. Ich habe schon schwere Lasten von Gipfel zu Gipfel befördert. Verhalte dich nur still und ruhig. Dann kann uns nichts aufhalten.«
»Außer dem Pfeil eines Wolfling-Bogenschützen«, wandte Tarean ein.
»Den zum Glück dein Leib für mich abfangen wird«, grinste Iegi. »Und jetzt spring!«
Bevor Tarean noch Zeit hatte, weitere, unnötige Widerworte zu geben, zwang ihn Iegi in die Hocke. Dann stieß sich der Vogelmensch mit einem kraftvollen Hechtsprung vom Dach des Wachturms ab. Für einen Lidschlag, einen schrecklichen Augenblick, hingen sie in der Luft, und Tareans Herz drohte auszusetzen, als sich ihre Körper nach vorne neigten und sie mit dem Kopf voraus dem unerbittlich harten Felsboden des Plateaus entgegenfielen. Dann jedoch breitete der Taijirin mit einem wuchtigen Schlag die Schwingen aus, und der Junge wurde mit einem Ruck, der seinen Magen rebellieren ließ, emporgehoben und über den Klippenrand getragen.
»Halte dich an meinen Armen fest und versuch, deine Beine um die meinen zu schlingen, dann wird es leichter«, rief ihm Iegi gegen das Sausen des Flugwindes ins Ohr. Eine Anweisung, die er nicht hätte geben müssen, denn schon instinktiv hatte sich Tarean im Fallen an den Armen, die seinen Brustkorb umschlossen, festgeklammert. Und mit einem kurzen Ruck gelang es ihm auch, seine frei schwebenden Füße um Iegis Unterschenkel zu haken.
Dann ging es abwärts.
Der Taijirin hielt sich dicht über den Nadelbäumen an der Flanke des Wallhorns, um vor einer Entdeckung durch die Wolflinge besser geschützt zu sein. Mit berauschender Schnelligkeit huschten die dunklen Wipfel der Bäume unter ihnen dahin. Der kalte Wind schlug Tarean ins Gesicht und ließ seine Haare flattern. Es war ein unglaubliches Gefühl, wie ein Vogel durch die Dämmerung dahinzusegeln, erschreckend und erhebend zugleich.
Plötzlich vernahmen sie hoch über ihnen ein fernes Kreischen, ein Geräusch, das Tarean an diesem Tag schon einmal gehört hatte, als Iegi ihm im Kampf gegen die Wolfskrieger zu Hilfe gekommen war.
»Iegi?«, brüllte er fragend gegen den brausenden Wind an.
»Festhalten!«, rief dieser und schlug einmal kräftig mit dem rechten Flügel, derweil er den linken anlegte. Tarean unterdrückte einen Aufschrei, als Iegi mit dem ganzen Körper mitten in der Luft zu einer Rolle ansetzte. Für einen Moment lag er auf dem Bauch des Taijirin und starrte mit aufgerissenen Augen in den dunklen Himmel über ihnen, dann kippten sie über die rechte Seite zurück in ihre Ausgangslage und Iegi breitete beide Schwingen wieder aus.
»Ich hoffe, du planst nicht noch mehr Flugkunststücke, während ich an deinem Gürtel festhänge«, jammerte Tarean.
»Keine Sorge. Ich wollte nur mal schauen, wer uns entdeckt hat«, gab Iegi zurück.
»Und?«
»Es sind die Soldaten meines Vaters. Er muss sie ausgeschickt haben, weil ich so lange unterwegs war.«
Unter ihnen war der Wald zu Ende, und sie flogen über Bergwiesen hinweg, die sanft ins Tal hin abfielen und an deren Fuße Dornhall stand.
»Und was geschieht jetzt?«
Unvermittelt fielen drei schwarze Schatten neben ihnen aus dem Himmel und setzten sich vor und neben sie. Es waren Taijirin wie Iegi, aber größer und von kräftigerer Statur, mit gefiederten Helmen und Brustpanzern und Kampfstäben in den Händen, die dem glichen, mit dem der Vogelmensch die Grawls angegriffen hatte. Eine der Gestalten deutete mit bestimmter Geste gen Erdboden. »Jetzt«, seufzte Iegi, »landen wir.«
Mit ein paar kräftigen Flügelschlägen, die Tarean ordentlich durchrüttelten, bremste der Taijirin den Gleitflug, sank zur Erde und setzte unter hektischem Flattern auf. Trotzdem machten sie recht unsanft mit dem Boden Bekanntschaft und landeten beide im Gras, wo sie sich mit Armen, Beinen, Gürteln und Gefieder dermaßen verhedderten, dass sie sich erst voneinander gelöst und
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