Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
Steppengrases nicht nur hervorragende Tarnung bot, sondern zugleich nahelegte, dass sein Volk aus zweibeinigen Abkömmlingen einer die Steppe bewohnenden Großkatzenart bestand.
Der Krieger trug einen Lendenschurz aus grauem Leder, einen Gürtel, an dem zwei kurze Messer hingen, und einen Schmuckreif um den Oberarm. Als sein Blick auf das Kleinod fiel, fragte sich Tarean unwillkürlich, wie wild und bar jeder Vernunft und Kultur diese Kazzach jenseits aller nondurischen Vorurteile wirklich waren.
Zu einem ähnlichen Schluss schien auch Auril gekommen zu sein, denn in ihren Augen lag ein leichter Vorwurf, als sie fragte: »Mussten wir ihn umbringen?«
»Ja, das mussten wir«, grollte Haffta, bevor Fenrir auch nur den Mund öffnen konnte. »Hätten wir ihn entkommen lassen, wäre unser Leben jetzt in Gefahr.«
»Glaubt denn irgendjemand von euch ernsthaft, dass wir diese Steppe durchqueren können, ohne dass die Kazzach uns bemerken?«, warf Iegi ein.
»Wir müssen es zumindest versuchen«, sagte Fenrir leise. »Kommt, reiten wir weiter.«
»Was ist mit dem verletzten Soldaten?«, fragte Tarean.
Der Nondurier wechselte ein paar Worte mit ihren Begleitern, bevor er sich erneut den Gefährten zuwandte. »Er wird überleben. Zwei seiner Kameraden bringen ihn zurück zur Wachfeste. Die übrigen drei werden von hier aus versuchen, den Spuren des Spähers zu folgen, um herauszufinden, wie nah die Kazzach sind. Wir sind also ab jetzt auf uns allein gestellt.«
Der Tod des Kazzach und die Trennung von den Nonduriern trugen nicht unbedingt dazu bei, die ohnehin schon gedrückte Stimmung zu heben. Während Hafftas Augen ruhelos über die Ebene wanderten und sie dabei ohne Unterlass den Griff ihres Dolchs mit der Doppelklinge knetete, wirkte Auril verstimmt über die Beiläufigkeit, mit der Fenrirs Leute einen zufällig ihren Weg Kreuzenden getötet hatten. Iegi hielt sich neben der Albin, und aus seiner Miene ließ sich sein geistiger Schulterschluss mit Auril herauslesen – ein Umstand, über den sich wiederum Tarean ärgerte, der sich ziemlich sicher war, dass es den Taijirinprinzen in Wahrheit kaum kümmerte, ob ein Kazzach mehr oder weniger von den Pfeilen nondurischer Soldaten niedergestreckt wurde. Immerhin hatten ihn auch die toten Wolflinge in Undur nicht sonderlich in moralische Aufregung versetzt. Ganz zu schweigen davon, dass er eine ganze Weile lang ziemlich eifrig die Klinge gewetzt hatte, um Haffta aus dem Weg zu räumen. Du magst ein treuer Freund sein, Iegi. Aber ich sehe nicht offenen Auges darüber hinweg, wenn du anfängst, Auril zu umwerben, dachte der Junge bei sich. Er würde das dem jungen Vogelmenschen klarmachen müssen, und zwar besser früher als später.
Als der Abend nahte, suchten sie sich eine geschützte Stelle auf einem einzelnen Hügel unweit eines Bachlaufs, um dort ihr Lager aufzuschlagen. Die Hänge des Hügels waren nach Norden und nach Westen hin von dichtem Gestrüpp bewachsen, das es unmöglich machte, sich von diesen Seiten her den Gefährten zu nähern. Nach Osten und nach Süden fiel das Gelände zwar flach ab, allerdings gab es keine Bäume oder Felsen, die einem sich heimlich anschleichenden Feind Deckung geboten hätten. Sie einigten sich darauf, in dieser Nacht kein Feuer anzuzünden und stets zu zweit zu wachen – auch wenn das bedeutete, dass sie alle nicht viel Schlaf bekommen würden. Tarean versuchte, seine Wache mit Auril zu teilen, denn er hoffte, dass sie dabei endlich Gelegenheit finden würden, sich auszusprechen. Doch die Albin teilte sich selbst Bromm zu. Und weil Iegi nicht wohl bei dem Gedanken zu sein schien, Fenrir und Haffta alleine über ihren Schlaf wachen zu lassen, entschied er, mit Fenrir zusammen die letzte Schicht zu übernehmen. Das Ende vom Lied war, dass Tarean kurz darauf mit Haffta am Rand des Lagers saß und in die Nacht hinausstarrte, während sich der Rest von ihnen zur Ruhe bettete.
Die meiste Zeit hockten der Junge und die Grawlfrau nur schweigend nebeneinander. Es hätte sicher tausend Fragen gegeben, die Tarean Haffta hätte stellen mögen, denn nach wie vor wusste er so gut wie nichts über die Denkweise und Lebensart der Wolflinge. Doch zum einen beschäftigte ihn seine eigene Lage mehr als die der Wolflingsippen östlich der Grauen Berge, zum anderen erweckte Haffta auch nicht den Eindruck, als sei sie in der Stimmung, aus ihrem früheren Leben zu plaudern, das schließlich erst vor weniger als zwei Wochen in einem furchtbaren
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