Tarean 02 - Erbe der Kristalldrachen
machte. Das klang, als sei sie sich seiner Gefühle nicht sicher. Oder ihrer? »Wie meinst du das?«
Auril beugte sich leicht vor und nahm seine rechte Hand in die ihre. Sie blickte in ihren Schoß, während ihr Daumen über seinen Handrücken strich. Die zärtliche und irgendwie auch traurige Geste erzeugte ein Prickeln in Tareans Innerem. Am liebsten hätte er die Albin in den Arm genommen und nie wieder losgelassen. Doch er vermochte nur stumm dazusitzen.
»Ich nehme an«, sagte Auril, »du wusstest nicht, dass ich nicht freiwillig zurück nach Cayvallon gegangen bin. Damals durfte ich es dir nicht sagen, aber heute spielt es wahrscheinlich keine Rolle mehr. Sinjhen, mein Vater, zwang mich dazu, denn er glaubte, es sei zu früh für uns beide. Das Schicksal habe einen anderen Plan für dich, als mit mir … wie soll ich sagen …« Sie stockte.
»… zusammen zu sein? Glücklich zu sein?«, vollendete der Junge leise ihren Satz.
Auril warf ihm einen kurzen Blick zu, und ein Lächeln deutete sich um ihre Mundwinkel an. »So in etwa.« Dann bildete sich eine steile Falte auf ihrer Stirn. »Aber ich glaubte nicht daran – und glaube es noch immer nicht –, dass einer Person nur ein Weg vorherbestimmt ist. Jeder entscheidet täglich aufs Neue, wohin ihn das Leben führt. Nun, Sinjhen sah das anders, und er rang mir einen Winter der Trennung ab. Ich sträubte mich dagegen, doch andererseits konnte auch ich nicht die Augen davor verschließen, dass das Wasser des Sehens deinen Sieg über Calvas vorhergesagt hatte. Mein Verstand vermochte sich, anders als mein Herz, Sinjhens Beweggründen nicht völlig zu verschließen. Also ließ ich es darauf ankommen. Ich ging nach Albernia und wartete.« Die Albin verstummte für einen Moment, und ihre Lippen verwandelten sich in einen dünnen Strich. »Und das Schicksal schlug erneut zu, genau wie Sinjhen es vorhergesagt hat. Kaum, dass ich mich entschlossen hatte, seine Worte in den Wind zu schlagen, kam von dir die Kunde einer neuen Reise, die du antreten würdest.«
»Der Ruf Kesrondaias …«, murmelte Tarean.
»Genau.«
Der Junge schüttelte ungläubig den Kopf. »Aber das war doch ein schlichter Zufall, nichts weiter!«
»Glaubst du das wirklich?«, fragte Auril.
Im ersten Moment wollte er vehement »Natürlich« rufen, doch dann horchte er in sich hinein und schwieg. »Nein«, gestand er schließlich matt.
Die Albin drückte seine Hand, ließ ihn dann los, wandte sich ab, und ihr Blick wanderte über die Steppe. Von Osten her hellte sich der Himmel auf. Doch über den südlichen Ausläufern der Grauen Berge hingen dunkle Regenwolken. »Jedenfalls musste ich es wissen«, fuhr sie fort. »Ich musste wissen, ob Sinjhen recht gehabt hatte und ich nur für kurze Zeit eine Begleiterin in deinem Leben gewesen war.«
Da packte Tarean Auril an den Schultern und drehte sie zu sich um. »Auril, wie kannst du so etwas denken? Du bist die Frau, die ich liebe! Die ich vom ersten Moment an, da wir uns in Agialon gegenüberstanden, geliebt habe!«
In den Augen der Albin blitzte milder Spott auf. »Vom ersten Moment an? Du hast dich auf einem Hinterhof voller Leichen in mich verliebt?«
Tarean ließ sie los und verdrehte die Augen. »Na schön, vielleicht erst, während ich auf der Flucht vor den Wolflingen hinter dir durch die Straßen gehetzt bin. Aber spätestens ab dem Augenblick, da du mich im Riva vor dem Ertrinken gerettet hast, sollte es keine andere Frau mehr für mich geben.« Er sah sie mit eindringlichem Blick an.
Auril musterte ihn stumm, schien mit ihren grünen, glühenden Augen bis in seine Seele schauen zu wollen. »Was ist mit Moosbeere?«, fragte sie.
»Moosbeere?«, stotterte der Junge überrascht. Dieser Vorstoß kam für ihn völlig unerwartet. Er wandte den Kopf ab. »Moosbeere ist etwas anderes«, murmelte er.
»Was ist mit ihr?«, hakte Auril nach. »Du weißt, dass sie dich liebt. Ihr habt sechs Monde zusammen in den Wolkenbergen verbracht. Und auch heute weicht sie dir nicht von der Seite.«
»Was hat Moosbeere mit uns zu tun? Dreigötter, sie ist ein Irrlicht!«, versetzte Tarean, vielleicht etwas heftiger als beabsichtigt. »Es könnte niemals etwas zwischen uns sein – nicht so wie zwischen dir und mir –, selbst wenn ich es wollte.«
»Und? Willst du?«, bohrte die Albin weiter.
»Ich … Also …« Der Junge presste trotzig die Lippen zusammen. »Was soll das, Auril? Warum bringst du auf einmal Moosbeere ins Spiel? Ich habe bislang ja
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